Am 1.10.2010 veröffentlichte die Schweizer Armee den Armeebericht 2010, dieser konkretisiert den sicherheitspolitischen Bericht 2010. Neulich wurde der Armeebericht von verschiedenen politischen Akteuren, wie beispielsweise von der SVP oder auch der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates stark kritisiert. Die Motivation für die Kritiken mögen unterschiedlich sein, jedoch offenbart dies die Uneinigkeit über den Auftrag der Schweizer Armee.

Deshalb erstaunt es mich (oder vielleicht auch nicht), dass einige bürgerliche Politiker noch nicht von der Beschaffung des Kampfjets lassen wollen. Gemäss dem Departementschef Ueli Maurer ist der Auftrag seiner Armee nicht definiert, siehe „Beste Armee ohne Auftrag„, trotzdem wird und wurde über den Kauf von Kampfflugzeugen debattiert.

Kampfjet noch nicht vom Tisch

Der Bundesrat hatte im August beschlossen, dass ein Kaufentscheid für neue Kampfjets nicht vor 2015 gefällt würde. Leider gibt es noch immer bürgerliche Politiker, die diesen Entscheid nicht akzeptieren und möglichst schnell wieder auf dieses Geschäft zurück kommen wollen.

Im Oktober entschied die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) des Nationalrates, dieses Thema nochmals vor 2015 auf den Tisch zu bringen. Angeblich sorgten sich viele der SiK um die Sicherheit der Schweiz.

Quelle: DRS1, Heute Morgen vom 10.11.2010, Kriegt die Schweizer Armee doch ihre Kampfjets

Bruno Zuppiger missgönnt den Hausangestellten den Mindestlohn, siehe „Missgünstige SVP gegen Mindestlohn und mehr Elternzeit„, anderseits möchte er das jährliche Militärbudget um mehr als eine halbe Milliarde erhöht haben. Wie sagt er: „Es braucht einen guten Willen“.

Auch ehemalige Bundesratskandidaten beurteilen, was nicht beurteilt werden kann

Die ehemaligen Bundesratskandidaten haben eine feste Meinung zur Beschaffung der Kampfjets:


Quelle: Thuner Tagblatt

Ich bin sehr erstaunt, dass diese Politiker die Notwendigkeit von Kampfjets beurteilen können. Aus meiner Sicht fehlen ihnen die notwendigen Informationen für die Beurteilung dieses Geschäfts. Ich kann nur hoffen, dass sich die zwei neuen Bundesräte ihre zukünftigen Entscheide nicht allzu oft auf den Grundlagen fehlender oder ungenügender Informationen fällen.

Rüstungspolitik für Kompensationsgeschäfte und Wirtschaftsinteressen und ein wenig für Sicherheit

Die Beschaffungspolitik der Armee war schon immer dominiert von wirtschaftlichen Interessen. Bei solchen Milliardengeschäften geht es um Kompensationsgeschäfte, daher bedauert die Swissmem in ihrer Mitteilung „Verpasste Chance für den Werkplatz Schweiz“ den Bundesratsentscheid.

Bundesrätin Leuthard wollte zuerst eine reduzierte Anzahl Kampfjets kaufen

Bundesrätin Doris Leuthard, die ehemalige Vorsteherin des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD), setzte sich zuerst für den Kauf einer geringeren Anzahl von Kampfjets ein. Dabei spielten die Kompensationsgeschäfte die zentrale Rolle für die Bundesrätin, dies bestätigte der Leuthard-Parteifreund und Nationalrat Pius Segmüller.

Der Kauf von wenigen Flugzeugen unrentabel

Glücklicherweise erkannte der Bundesrat, dass ein Einkauf von nur wenigen Kampfflugzeugen einen zu hohen Stückpreis ergibt.

Quelle: DRS1, Tagesgespräch vom 26.08.2010 -Verteidigungsminister Maurer zu den Kampfjets

Maurer in Erklärungsnot für die Notwendigkeit einer Luftwaffe

Bei der Notwendigkeit für die Luftwaffe beruft sich Ueli Maurer auf Terroranschläge am 11. September 2001 – dabei muss ihm entgangen sein, dass die US-Luftwaffe diesem Ereignis völlig hilflos gegenüberstand.

Quelle: DRS1, Tagesgespräch vom 26.08.2010 -Verteidigungsminister Maurer zu den Kampfjets

Flugwaffe operiert „nur“ während der Bürozeiten

In der Schweiz gibt es bisher keine Rund-um-die-Uhr-Alarmbereitschaft mit bewaffneten Kampfflugzeuge. Anderseits könnte auch die stärkste Luftwaffe der Welt einen Angriff auf ein schweizerisches AKW ohne Vorwarnung nicht verhindern.

Quelle: DRS1, Tagesgespräch vom 26.08.2010 -Verteidigungsminister Maurer zu den Kampfjets

Wahrscheinlich wird in naher Zukunft die Rund-um-die-Uhr-Alarmbereitschaft als Grund für die Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen angeführt werden.

Kampfflugzeuge auf für das Prestige

Ich kann nicht beurteilen, ob die Schweiz wirklich neue Kampfflieger benötigt. Gemäss dem Fact Sheet „International transfers of combat aircraft, 2005–2009“ ist ein Kampfflugzeug eine teure Angriffswaffe mit viel Ausstrahlung von Macht und Prestige.

Quelle: DRS1 – Rendez-vous vom 10.11.2010 – Kampfjet-Boom destabilisiert die Welt

Zuerst Anforderung und danach die passende Lösung

Im Armeebericht wird die Zukunft der Armee nach drei Eckwerten ausgerichtet:

Quelle: DRS1 vom 19.11.2010 – Ständerat schickt Armeebericht zurück an den Absender

Bruno Frick hat richtigerweise erkannt, dass der Armeebericht nicht auf einer sicherheitspolitischen Beurteilung basiert, sondern auf anderen Eckwerten. Hätte die Schweizer Armee beispielsweise ein CHF 10 Milliarden Budget, dann wäre der Armeebericht völlig anders ausgefallen. Dies hat mit Sicherheitspolitik wirklich wenig zu tun.

Wird dieses Vorgehen der Schweizerischen Armee bei ihrer Armeepolitik auf einen Softwareentwicklungsprozess übertragen, dann würde zuerst die individuelle Lösung mit einem vorgegebenen Kostenrahmen implementiert und danach bei dessen Kunde die Anforderungen ermittelt. In der Realität kann dies nicht funktionieren – zuerst müssen die Anforderungen ermittelt werden und danach folgt eine mögliche realistische Lösung. Solange sich die Armee bzw. die schweizer Bevölkerung nicht über den zukünftigen Kurs in der Sicherheitspolitik einigt, sind weiter Fehlallokationen in der Rüstungspolitik der Armee die Regel und nicht die Ausnahme.

Fehlallokation in der Armee

Weil die Schweizer Armee ohne konkreten Auftrag herumwurstelt, sind in der Vergangenheit zu viele Gelder in falsche Richtung geflossen. Manche Fehlinvestitionen sind offensichtlich, andere wiederum sind der Bevölkerung nicht bekannt. Übrigens führt/e das VBS eine Art Mängelliste “Herausforderungen der Armee” in Web. Ich werde hier nur drei fragwürdige Beschaffungen aufführen, teilweise wurde mit der “zu grossen Kelle angerichtet”:

Einmotten und Teilverkauf von Leopard-2-Kampfpanzern

1993 wurde der letzte Kampfpanzer Leopard-2-Kampfpanzer (Pz 87 Leo) and die Truppe ausgeliefert. Schon fünf Jahre später mussten 148 der insgesamt 380 Pz 87 eingemottet werden. Der Schweiz kostete die Beschaffung dieser damaligen Wunderwaffe CHF 3.53 Milliarden, es war bisher der teuerste Rüstungskauf. Von der gesamten Flotte wurden nur 134 Kampffahrzeuge einem Werterhaltungsprogramm unterzogen. Neulich konnten 42 Stück der inaktiven Leo-Flotte an das deutsche Unternehmen Rheinmetall Landsysteme verkauft werden.

Hightech-Bunker: Sicherheits-Politiker wussten von nichts

Der letzte Kampfbunker wurde erst im Jahre 2003 fertig gestellt. Nun sollen diese Bunker zurückgebaut werden. Hierzu einen Teilausschnitt aus dem Video, das gesamte Video kann unter dem folgenden Link betrachtet werden.


Quelle: SF1 vom 22.10.2010 – Hightech-Bunker: Sicherheits-Politiker wussten von nichts

Computer-Chaos in der Armee

Es ist bezeichnend, was bei der Schweizer Armee im Grossen nicht funktioniert, wird bei ihr auch im Kleinen beispielsweise der Informatik nicht funktionieren. Keine Ziele, keine Planung, keine Verantwortung – hierzu einen Ausschnitt aus einem Interview mit Bundesrat Ueli Maurer:
Der Mängelbericht der Armee beschreibt die Situation im Bereich Führungselektronik als ernst. Warum?

Wir haben in den letzten Jahren rund 500 verschiedene Computer-Programme eingekauft. Die sind aber nicht kompatibel, können nicht miteinander kommunizieren. Zudem haben wir gut 2000 Applikationen, die wir zum Teil selber entwickelten. Wir sind schlicht nicht in der Lage, das alles zu betreiben. Wenn wir alle EDV-Anwendungen, die wir gekauft haben, betreiben wollten, bräuchten wir noch mal sehr viele Informatiker zusätzlich. Nun sind wir daran, auszudünnen. Das Problem war: Zu viele Stellen im Departement konnten selbst über EDV-Projekte entscheiden.

Die Bilanz bei der EDV ist also: Man hat schlicht zu viel eingekauft.

Ja, dazu kann man stehen. Man hat dieses Problem zu lange unterschätzt.

Es besteht noch Hoffnung…

Endlich bringt ein Parlamentarier das Thema Neutralität auf den Tisch.

Quelle: DRS1 vom 19.11.2010 – Ständerat schickt Armeebericht zurück an den Absender
Es ist wirklich höchste Zeit, dass sich die Schweizer Bevölkerung mit der Neutralität ihres Staates und der europäischen Sicherheitspolitik beschäftigt. Ich werde dies in diesem Blog auch machen…

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