In meinem letzten Beitrag habe ich über Meinungsmache und Lückenpresse geschrieben. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Fakt ist: Die Art, wie wir uns heute informieren, hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. Schauen wir uns die Gründe für diesen Niedergang einmal genauer an.
Die technologische Revolution: Vom Informationsmonopol zur Informationsflut
Erinnern Sie sich noch? Vor nicht allzu langer Zeit hatten Journalisten praktisch das Monopol auf Nachrichten. Sie waren die Gatekeeper, die entschieden, was auf die Titelseite kam und was im Papierkorb landete. Man vertraute darauf, dass sie ihre Auswahl verantwortungsbewusst trafen, und die Presse galt als glaubwürdige Instanz.
Wer damals seine Meinung kundtun wollte, schrieb einen Leserbrief, der vielleicht Tage später (oder nie) gedruckt wurde. Ich selbst erinnere mich an Reisen in die USA in jungen Jahren: In den Parks von New York standen Menschen auf kleinen Holzkisten und hielten flammende Reden über Politik und die Welt. Ein direkter, aber eben auch sehr begrenzter Austausch.
Heute? Ein völlig anderes Bild. Plattformen wie YouTube, TikTok oder X haben die Schleusen geöffnet. Jeder kann mit einem Smartphone zum Sender werden und potenziell ein globales Publikum erreichen. Das Ergebnis ist eine gigantische Informationsflut, in der Lautstärke und Emotion oft mehr zählen als Relevanz.
Man darf sich aber nichts vormachen: Auch wenn eine Story heute auf Social Media explodiert, sind es am Ende doch meist die etablierten Medien, die ihr die grosse Bühne geben. Sie bestimmen immer noch massgeblich, was zur landesweiten Debatte wird. Eine Nachricht mag also im Netz entstehen, doch erst die Mainstream-Medien geben ihr die grosse Reichweite und öffentliche Aufmerksamkeit. So entstehen Parallelwelten, in denen Fakten, Meinungen und Gerüchte nebeneinander existieren, ohne klare Hierarchie. Der Journalist ist vom alleinigen Torwächter zum Bediener des grössten Scheinwerfers geworden.
Der Würgegriff von Algorithmen und KI
Soziale Medien haben die Spielregeln komplett neu geschrieben. Nicht mehr der Chefredakteur, sondern ein Algorithmus bei Facebook oder TikTok entscheidet, was wir sehen. Und was lieben diese Algorithmen? Emotional aufgeladene Posts, denn die bringen Klicks und Reaktionen. Nüchterne Berichterstattung hat da kaum eine Chance. Also passen sich viele klassische Medien an, werden lauter und dramatischer, nur um relevant zu bleiben.
Dazu kommt jetzt noch die Künstliche Intelligenz. Eine Google-Suche liefert heute oft eine fertige Zusammenfassung, sodass man die eigentliche Nachrichtenseite gar nicht mehr besuchen muss. Für die Online-Medien bedeutet das: noch weniger Besucher, noch weniger Werbeeinnahmen. Gleichzeitig kann KI nicht immer zwischen geprüften Fakten und ungesicherten Informationen unterscheiden. So kämpfen die Medien nicht nur gegen Influencer, sondern auch gegen intelligente Maschinen um die Deutungshoheit.
Die verzweifelte Antwort: Wie Medienkonzerne auf den Wandel reagierten
Wie haben die etablierten Medien auf diese technologische Revolution reagiert? Meistens schlecht, würde ich sagen. Statt innovative Lösungen zu finden, verfiel die Branche in einen Panikmodus aus Kostensenkung und inhaltlicher Anpassung an die neuen Spielregeln.
Hand aufs Herz: Guter Journalismus kostet Geld. Besonders investigativer Journalismus, der Missstände aufdeckt, braucht Zeit, Erfahrung und Ressourcen. Doch genau hier wird der Rotstift angesetzt. Die Werbegelder, die früher Zeitungen finanzierten, fliessen heute direkt zu Google und Meta. Um die verbliebenen Krümel des Werbekuchens abzubekommen, jagen viele Verlage verzweifelt nach Klicks.
Die Folge? Statt teurer Reporter greift man lieber auf billige Agenturmeldungen zurück. Sensationelle Schlagzeilen und emotional gefärbte Berichte versprechen mehr Traffic als sorgfältige Recherche. Social Media verstärken diesen Trend noch, da dort nur die Beiträge sichtbar werden, die starke Reaktionen auslösen. Empörung, Wut oder Angst sorgen für mehr Interaktionen als nüchterne Analysen.
Je emotionaler und polarisierender ein Beitrag ist, desto weiter verbreitet er sich in den Netzwerken. Dadurch entsteht für Redaktionen ein Anreiz, Inhalte zuzuspitzen und Konflikte zu betonen. So verlagert sich der Journalismus von gründlicher Recherche hin zur schnellen Erregung.
Schweizer Scheinvielfalt: Drei Konzerne, eine Meinung
Was auf den ersten Blick wie Vielfalt aussieht, ist oft nur eine Illusion. In der Schweiz etwa stecken hinter Dutzenden Titeln wie NZZ, Tages-Anzeiger oder Blick nur drei grosse Verlagshäuser: TX Group, Ringier und CH Media. Dazu kommt die staatsnahe SRG im Hörfunk und Fernsehen.
Diese Medienkonzentration führt zu einem homogenen Journalismus, bei dem die Beiträge zentral produziert und über verschiedene Kanäle fast identisch ausgespielt werden. Vielfalt als Marke, nicht als Inhalt – ein echtes Problem für die Meinungsbildung.
Der grosse Einheitsbrei: Wenn alle von denselben abschreiben
Die vier grossen Agenturen – Reuters, AP, AFP und DPA – beliefern praktisch alle internationalen Redaktionen. Bei der Ukraine-Berichterstattung stammten teils 80 bis 100 Prozent der Inhalte aus genau diesen Quellen, ohne eigene Recherche. Die ehemaligen Auslandskorrespondenten der grossen Redaktionen? Grösstenteils nur noch Erinnerung.
Der Einheitsbrei ist die logische Folge. Ob man die NZZ, die Tagesschau oder 20 Minuten liest – man erlebt fast dieselben Schlagzeilen und fast dieselbe Perspektive. Diese Homogenisierung ist für eine pluralistische Medienlandschaft verheerend.
Die Journalisten-Blase: Zwischen prekär und parteiisch
Hier wird es richtig interessant: Journalisten bewegen sich oft in denselben sozialen und politischen Kreisen wie Politiker, Spitzenbeamte oder Vertreter grosser NGOs. Man trifft sich bei Podiumsdiskussionen, bei Empfängen oder auf internationalen Konferenzen. Diese Nähe schafft zwar Zugang zu Informationen, aber sie hat einen hohen Preis: Die kritische Distanz geht verloren.
Wer sich regelmässig im gleichen Umfeld bewegt, übernimmt leichter dessen Perspektiven und Sprachmuster. So entstehen unbewusst ähnliche Weltbilder, in denen bestimmte Narrative als selbstverständlich gelten und andere gar nicht erst vorkommen. Mit der Zeit verengt sich der Meinungskorridor, weil alternative Sichtweisen als exotisch oder extrem wahrgenommen werden.
Gleichzeitig zerfällt das Fundament des Berufsstands von innen. Das Ansehen von Journalisten ist laut Umfragen im Keller, die Bezahlung oft mager und die Jobsicherheit durch Zeitverträge quasi nicht existent. Viele arbeiten unter prekären Bedingungen, oft in freier Mitarbeit ohne langfristige Perspektive. Das macht den Beruf für Talente wenig attraktiv und verstärkt den Trend zur oberflächlichen Berichterstattung.
Die Digitalisierung hat den Arbeitsdruck zusätzlich verschärft. Früher hatten Redaktionen klare Abgabefristen für Printausgaben oder Nachrichtensendungen, heute verlangt der Online-Betrieb ständige Aktualisierungen. Meldungen müssen im Minutentakt erscheinen, damit die Website Klicks generiert und in Suchmaschinen sichtbar bleibt. Unter diesem Zeitdruck bleibt kaum Raum für gründliche Recherche.
Selbstzensur: Wenn Karriere vor Wahrheit geht
Selbstzensur und Opportunismus sind längst weit verbreitet, auch wenn sie selten offen zugegeben werden. Viele Redaktionen reagieren empfindlich auf öffentlichen Druck. Wer als Journalist allzu stark von der Mehrheitsmeinung abweicht, riskiert nicht nur Kritik, sondern auch den Verlust von Karrierechancen.
Während der Corona-Pandemie war dieses Phänomen besonders deutlich. Kritiker der Lockdown-Politik oder der Impfpflicht wurden in vielen Medien vorschnell als Verschwörungstheoretiker oder Schwurbler abgewertet, statt dass man ihre Argumente sachlich geprüft hätte. Kaum eine Redaktion wollte in den Verdacht geraten, die Massnahmen der Regierung infrage zu stellen.
Ähnlich zeigte sich das beim Ukraine-Krieg. Wer die westliche Politik kritisch betrachtete oder auf Versäumnisse der NATO hinwies, lief Gefahr, sofort als Putin-Versteher abgestempelt zu werden. Solche Mechanismen führen dazu, dass Journalisten nicht nur aus Angst vor öffentlicher Kritik zurückhaltend sind, sondern auch aus purem Opportunismus. Es ist schlicht bequemer, sich der Mehrheitsmeinung anzuschliessen, als gegen den Strom zu schwimmen.
Politik vor Bürgermeinung
Bei der Berichterstattung fällt auf, dass nicht die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung, sondern die politische Mehrheitsmeinung dominiert. Besonders beim Ukraine-Krieg wirkten viele grosse Medien wie Verstärker der Regierungslinie. Ob diese Darstellung tatsächlich die Haltung der Bürger widerspiegelt, bleibt fraglich. Kritische oder differenzierte Stimmen kamen kaum vor und wurden oft in eine Aussenseiterrolle gedrängt.
Für viele Zuschauer entsteht so der Eindruck einer verzerrten Berichterstattung. Manche wenden sich enttäuscht von den etablierten Medien ab und suchen alternative Quellen. Auch ich frage mich zunehmend, warum ich für eine solche einseitige Darstellung überhaupt noch bezahlen sollte.
Talkshows als Schauprozess
Bei vielen Talkrunden im ZDF oder der ARD fällt auf, dass die Auswahl der Gäste oft einseitig ist. Häufig sitzen vier oder fünf Personen auf dem Podium, von denen drei oder vier die politische Mehrheitsmeinung vertreten. Der einzelne Gast mit einer abweichenden Position wird dadurch automatisch in die Defensive gedrängt.
Besonders während der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs war dieses Muster häufig zu beobachten. Wer nicht auf Regierungslinie argumentierte, wurde schnell in die Ecke der Schwurbler oder Putin-Versteher gestellt. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Interviews mit Politikern. Kommt der Gesprächspartner aus einer Partei wie der AfD, ist der Ton der Moderatoren deutlich härter als bei Gästen aus der CDU oder der SPD. Diese unterschiedliche Behandlung vermittelt den Eindruck mangelnder Ausgewogenheit.
Die wahren Experten schlagen zurück
Hier wird es paradox: Dank der technologischen Entwicklung können heute nicht nur Journalisten ein grosses Publikum erreichen. Wissenschaftler, Ärzte, Juristen oder ehemalige Diplomaten veröffentlichen ihre Analysen direkt über Blogs, Podcasts oder soziale Medien. Oft haben diese Experten einen viel besseren Einblick in komplexe Themen, da sie geografisch oder beruflich näher an den Ereignissen sind als eine Redaktion in Zürich, Berlin oder Wien.
Früher waren sie darauf angewiesen, dass ein Journalist ihre Einschätzungen aufgreift und veröffentlicht. Heute können sie ihre Sicht der Dinge unabhängig und in voller Länge darstellen. Dadurch sind viele Leser und Zuschauer nicht mehr nur auf die klassische Berichterstattung angewiesen.
Besonders in Krisen wie der Corona-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg haben sich einige Fachleute mit präzisen Analysen einen Namen gemacht, während grosse Medien oft hinterherhinkten oder vereinfachten. Das Publikum erkennt, dass wahre Expertise manchmal wertvoller ist als die Meinung eines Kommentators im Feuilleton. Dadurch entsteht für den Journalismus eine neue Konkurrenz um Glaubwürdigkeit und Relevanz. Wer nur Schlagzeilen liefert, verliert gegen jemanden, der tiefes Wissen und nachvollziehbare Argumente bietet.
Fazit: Ein System im freien Fall
Der Journalismus ist heute ein Gefangener seiner selbst. Viele Redaktionen stecken in einer Abwärtsspirale, aus der sie kaum herausfinden. Wenn Medien über Jahre hinweg einseitig berichten, bemerken das immer mehr Konsumenten. Sie wenden sich von den etablierten Kanälen ab, weil sie das Vertrauen in deren Unabhängigkeit verlieren.
Wer sich nicht mehr ernst genommen fühlt, ist auch nicht mehr bereit, für deren Inhalte zu zahlen. Sinkende Einnahmen führen zu weiteren Sparrunden, wodurch noch weniger Ressourcen für kritische Recherche und investigative Arbeit übrig bleiben. Stattdessen wächst die Abhängigkeit von Nachrichtenagenturen und vorgefertigten Meldungen, die alle gleich klingen.
Doch eine Halbwahrheit wird nicht wahrer, nur weil sie von vielen Medien gleichzeitig verbreitet wird. Einige Menschen erkennen dies und suchen gezielt nach alternativen Informationsquellen. Andere wiederum ziehen sich aus der öffentlichen Debatte zurück, da sie das Gefühl haben, ohnehin keine objektiven Informationen mehr zu erhalten.
So verliert der Journalismus sein Publikum und seine gesellschaftliche Rolle als vierte Gewalt. Wer keine Vielfalt mehr bietet, darf sich nicht wundern, wenn sich Leser und Zuschauer abwenden. Je stärker die Kritik an den Mainstream-Medien wächst, desto defensiver reagieren viele Redaktionen und desto enger wird oft ihr Meinungskorridor.
Die Digitalisierung hat das alte Geschäftsmodell zerstört und das Informationsmonopol der Presse gebrochen. Sinkende Einnahmen führten zu Sparmassnahmen, zu weniger investigativer Recherche und zu einer wachsenden Abhängigkeit von Agenturen und zentralen Quellen. Damit ging die Rolle der vierten Gewalt verloren, die Politik und Macht kritisch hinterfragen sollte.
Stattdessen zeigen sich enge Verflechtungen zwischen Journalisten, politischen Akteuren und grossen Netzwerken, die den Meinungskorridor verengen. Hinzu kommt die sichtbare politische Schlagseite vieler Redaktionen, deren Mitglieder überwiegend dem linken Spektrum angehören und konservative Perspektiven oft nur eingeschränkt zu Wort kommen lassen.
Diese Homogenität verstärkt den Eindruck, dass Medien nicht mehr unabhängig berichten, sondern vor allem eine politische Mehrheitsmeinung absichern. Das Publikum bemerkt diese Einseitigkeit und wendet sich zunehmend alternativen Informationsquellen zu. Dadurch geraten die etablierten Medien finanziell noch stärker unter Druck, was den Teufelskreis aus Sparmassnahmen, einseitiger Berichterstattung und Vertrauensverlust weiter antreibt.
Ich persönlich bin kaum noch bereit, neben den obligatorischen Beträgen zusätzlich für solchen Journalismus zu zahlen. Dieser Sensationsjournalismus ist mir keinen Pfennig wert, denn er kostet mich wertvolle Lebenszeit.
So verstärkt sich der Niedergang eines Berufsstandes, der einst als Garant für Demokratie und Meinungsvielfalt galt. Ohne eine Rückbesinnung auf Unabhängigkeit, Vielfalt und kritische Distanz droht der Journalismus seine gesellschaftliche Relevanz endgültig zu verlieren. Die Branche täte gut daran, diese Warnsignale ernst zu nehmen, bevor es endgültig zu spät ist.