In der letzten fast 5 Jahren habe ich in diesem Blog keinen Beitrag mehr geschrieben. Es ist nicht so, dass ich keine Thema gefunden hätte, worüber es sich gelohnte hätte zu schreiben.
Ein Buchautor schreibt mehr oder weniger erfolgreiche Bücher. Ich als Softwareentwickler entwickle mehr oder weniger von den Benutzer geliebte oder gehasste Software. Ich habe daher meine Freizeit und noch mehr in die Entwicklung einer Open Source Software investiert, diese deckt eher die Bedürfnisse der Leser meines anderen Blogs, siehe Grafioschtrader Investment Blog oder auch Grafioschtrader bei GitHub.
Wie im Beitrag „Direkte Demokratie und Drohung von Arbeitsplatzverlust“ beschrieben, werden die meisten Abstimmungskampagnen mit der Drohung von Arbeitsplatzabbau geführt. Hierzu werden öfters die schweizerischen Arbeitslosenzahlen im Vergleich mit dem internationalen Umfeld herangezogen. Die dabei von den Politikern und oft vom Bundesrat erwähnte Arbeitslosenquote von 3% und etwas höher ist Selbsttäuschung. Es stellt sich natürlich die Frage, warum argumentieren viele Politiker mit dieser zweifelhaften „tiefen“ Arbeitslosenquote. Wahrscheinlich ist es der Versuch, den Status quo im wirtschaftspolitischen Abstimmungskampf zu propagieren bzw. die Bevölkerung in Richtung voll durchökonomisierte Gesellschaft zu bewegen.
Erwerbslosenquote ILO und die Arbeitslosenzahlen SECO
In der Schweiz werden zwei Statistiken zu Arbeitslosigkeit bzw. Erwerbslosenquote veröffentlicht. In der öffentlichen Debatte werden meistens die von der SECO monatlich veröffentlichten Arbeitslosenzahlen angeführt. Im März 2016 lag die schweizerische Arbeitslosenquote bei 3.6 %. Dagegen war die Erwerbslosenquote 5.1 % im 1. Quartal 2016.
Die Statistik der SECO erfasst nur Personen, die bei den regionalen Arbeitsvermittlungsämtern (RAV) als arbeitslos registriert sind. Dabei ist es unerheblich, ob die Person eine Arbeitslosenentschädigung erhält oder nicht, beispielsweise werden die Ausgesteuerten nicht berücksichtigt.
Letztendlich enthält diese Statistik Ungenauigkeiten sowohl im Zähler wie auch im Nenner. Im Zähler, da nicht alle Arbeitslosen beim RAV registriert sind und im Nenner, weil die Zahl der Erwerbspersonen möglicherweise unterschätzt wird.
Die Erwerbslosenquote gemäss ILO wird vierteljährlich durch das Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlicht. Die Quote basiert auf der Arbeitskräfteerhebung (SAKE) und wird mittels Telefoninterviews und Hochrechnung bei der schweizerischen und ausländischen ständigen Wohnbevölkerung in der Schweiz erhoben. Natürlich ist diese Stichprobe nicht frei von Fehlern, jedoch für den internationalen Vergleich weitaus besser geeignet als die Statistik aus dem SECO.
Bundesräte und ihre Selbsttäuschung
Im Folgenden sind zwei Beispiele, in denen der Bundesrat bewusst oder unbewusst der Selbsttäuschung bezüglich der Arbeitslosenquote unterliegt.
Untaugliche Argumentation von Bundesrätin Sommaruga
In den folgenden zwei Sequenzen aus der Abstimmungs-Arena zu Ecopop-Initiative argumentiert Bundesrätin Sommaruga mit der „sensationellen“ Arbeitslosenquote von 3%. Zudem verwechselt sie die Kausalität mit der Korrelation, indem sie die angeblich tiefe Arbeitslosenquote mit der hohen Zuwanderung begründet:
Wie üblich leiert er mit Schachtelsätzen seine Propaganda für die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik herunter. Aufgrund seiner Selbsttäuschung spricht Schneider-Amman von einer quasi Vollbeschäftigung in der Schweiz.
Obwohl auch die internationale standardisierte Erwerbslosenquote grosse Verzerrungen aufweist. Gibt es heute wenige Länder in Europa mit einer ähnlichen Erwerbslosenquote wie die Schweiz.
Hat die Schweiz Vollbeschäftigung?
Eine exakte Ermittlung der Arbeitslosenquote ist offensichtlich nicht möglich. Daher ist die Aussage einer quasi vollbeschäftigten Schweiz ziemlich gewagt. Vom Wirtschaftsminister Schneider-Ammann sind in diesem Artikel drei Mitschnitte aus den Jahren 2012, 2014 und 2016. Jedes Mal sprach er von Vollbeschäftigung.
Dem kann entgehen gehalten werden, dass beispielsweise im 1. Quartal 2016 die Jugenderwerbslosenquote bei 8.3% lag, für mich definiert sich Vollbeschäftigung anders. Boris Zürcher, Chef der Direktion für Arbeit beim SECO sprach anfangs 2014 von einer fast Vollbeschäftigung.
Wie von Boris Zürcher erwähnt, gibt es eine gewisse Sockelarbeitslosigkeit dies sich aus der friktionellen und strukturellen Arbeitslosigkeit ergibt. Die Arbeitslosigkeit ist Konjunktur unabhängig, trotzdem kann diese Arbeitslosigkeit mit Gegenmassnahmen wie beispielsweise verbesserte Arbeitsvermittlung oder Umschulungen reduziert werden.
Keine Vollbeschäftigung sagt die Gewerkschaft
Der Gewerkschaftsökonom Daniel Lampart argumentiert natürlich mit der Erwerbslosenquote gemäss ILO. Mit der höheren Prozentzahl fordert er staatliche Interventionen für die Senkung der Arbeitslosigkeit.
Nachdem seit der Abstimmung zur SVP-Einwanderungsinitiative über Arbeitskräftemangel debattiert wurde und jedes Jahr Zehntausende aus dem Ausland in der Schweiz einen Arbeitsplatz fanden, reden plötzlich alle von drohender Arbeitslosigkeit. Welches Problem haben wir denn jetzt?
Wir haben so viele Erwerbslose wie noch nie. Die Erwerbslosenquote liegt bei 4,7 Prozent. Wir nähern uns den 5 Prozent von Deutschland und Österreich an. Die Schweiz braucht Vollbeschäftigung. Es ist unglaublich, dass Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann bei der heutigen Erwerbslosenquote behauptet, es herrsche Vollbeschäftigung.
Quelle: Interview mit Daniel Lampart – «Ein fairer Kurs liegt klar über 1.30 Franken»
Fazit
In der Schweiz haben wir zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden für die Arbeitslosenzahlen. Die Bundesräte haben ein Interesse daran, mit einer möglichst tiefen Arbeitslosenquote zu argumentieren. Jedenfalls bin ich noch nie einem Statement eines Bundesrates mit dem Verweis auf die ILO Erwerbslosenquote begegnet. Diese Illusion der „niedrigen“ Arbeitslosenquote ist hilfreich beim Regieren und im Abstimmungskampf zu wirtschaftlichen Themen.
Ich finde es unredlich, wenn mit einer konzeptionell fraglichen Statistik Politik gemacht wird. Zudem wiegt man sich mit dieser im internationalen Vergleich tiefen Arbeitslosenquote in falscher Sicherheit. Bei internationalen Vergleichen sollte möglichst die für diese Vergleichbarkeit konzipierte Statistik der Erwerbslosenquote gemäss ILO verwendet werden.
Die mediale Präsenz der digitalen Evolution ist seit circa eineinhalb Jahren gewaltig. Teilweise werden die Möglichkeiten des kommenden „Maschinenzeitalters“ ziemlich überschätzt, siehe dazu „Medialer Hype um digitale Evolution„. Daher vermeide ich den populären Begriff digitale Revolution.
Leider löst die momentane Berichterstattung über die digitale Evolution bei den meisten Menschen negative Gefühle aus. Mit Schlagzeilen wie „Die Jobkiller kommen“ wird der Fortschritt der Digitalisierung als Bedrohung der eigenen Lebensgrundlage wiedergegeben. Kommuniziert wird, dass die digitale Maschine uns die Arbeit wegnimmt; stattdessen kann sie uns von der Arbeit befreien.
Mehr Freizeit dafür weniger Stress
Viele Erwerbstätige optimieren ihren Job danach, sich für ihr Unternehmen unentbehrlich zu machen. Leider oftmals im negativen Sinn, gerade in mittleren und grossen Unternehmen generiert dies riesige Bürokratien die sich und andere mit unproduktivem und unnötigem Zeugs beschäftigen. Dies ist der Produktivität hinderlich und produziert oftmals unnötigen Stress und stiehlt den Menschen wertvolle Zeit.
Viele Menschen leiden heute unter ständiger Erreichbarkeit und Überstunden. Angestellte erledigen noch nach Feierabend geschäftliche E-Mails oder sind in den Ferien erreichbar. In Europa gelingt den Menschen den Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben immer weniger.
Instandhaltung mit Wellness-Wochenende und Sabbatical
Der Instandhaltungspflicht an der eigenen Seele und Körper wird an einem verlängerten Wochenende in einer Wellness-Oase genüge getan. Wer es sich leisten kann, gönnt sich ein mehrmonatiges Sabbatical. Wobei es für viele ein unbezahlter Urlaub bedeutet. Jedenfalls entwickelt sich das Sabbatical zu einem Trend:
Nach einem mehrmonatigen unbezahlten Urlaub könnte einem die alte Tretmühle schneller wieder vereinnahmen als erhofft. Nach der Auszeit ist die Bürokratie und der Alltag wahrscheinlich derselbe und damit die „getankte Energie“ gefährdet.
Schweizer sind fleissig und nicht sehr produktiv
Ich bin grundsätzlich der Meinung, je weniger Zeitaufwand desto produktiver insbesondere für sehr kopflastige oder körperlich anstrengende Arbeiten. Natürlich sollte dabei je nach Persönlichkeit und Tätigkeit ein bestimmtes Minimum an Arbeitsstunden nicht unterschritten werden. Wenig tangiert von dieser Aussage sind Aktivitäten, bei denen die Maschine das Arbeitstempo vorgibt oder für durchorganisierte Tätigkeiten.
Die Schweiz platziert sich in vielen Ranglisten von ökonomischen Vergleichen der Volkswirtschaften in den obersten Rängen. Jedoch fällt sie bei der Arbeitsproduktivität zurück. Diese berechnet sich nach dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) geteilt durch die geleisteten Erwerbsarbeitsstunden.
Seit circa Mitte Februar ist die Wortwahl eines starken CHF teilweise übertrieben. Ebenso könnte von einem schwachen EUR gesprochen werden:
Damit würde die mehrheitlich negative belegte Berichterstattung über den angeblichen „Frankenschock“ in den Medien ihre Berechtigung verlieren. Im Vordergrund steht die Angstmacherei um die Arbeitsplätze:
In der Hoffnung auf mehr Aufmerksamkeit bewirtschaften die Medien gerne diese Ängste. Von Swissmem-Präsident Hans Hess gibt es zwei interessante Aussagen:
Es ist nachvollziehbar das eine Firma mit einer EBIT-Marge von 4% bei einer Preisreduktion um 10% einen Verlust einfährt. Glücklicherweise spricht er nicht wie der Präsident desselben Wirtschaftsverbandes von den übertriebenen 15-20%. Dies lässt hoffen, auch bei Swissmem gibt es Verantwortliche, die des Rechnens mächtig sind. Die zweite Aussage ist ein Beispiel, wie unseriös gewisse Medien arbeiten. Was nicht gesagt wurde wird einfach erfunden, dieses Mal handelt es sich um die Anzahl der gefährdeten Arbeitsplätze. Die Medien wollen primär Prognosen über die betroffenen Arbeitsplätze, solche Schlagzeilen verkaufen sich besser.
Sicherlich nutzen zurzeit einige Unternehmen den erstarkten CHF als Hauptgrund für die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Man wünscht von denselben Anstalten dieselbe Geschwindigkeit bei der Wahrnehmung von technischen Innovationen.
Es ist bekannt, dass einige Politiker aufgrund ihrer Ideologie gewisse Zahlen uminterpretieren bzw. es mit der Mathematik nicht so exakt nehmen. Offensichtlich sind sie damit die Vorbilder für etliche Vereinsfunktionäre, Journalisten und Unternehmer.
Mit der Aufhebung der Euro-Kurs-Untergrenze prägt der Begriff Frankenschock die Medienlandschaft. Nach der Aufgabe am 15.01 bis am 23.01.2015 war der CHF teilweise gegenüber dem EUR um 20% teurer. Danach schwächte sich der Frankenschock um einige Prozente ab. Scheinbar wollen einige Akteure dies nicht zur Kenntnis nehmen oder sie bekunden etliche Mühe mit der Prozentrechnung.
Aus Sicht des EUR bzw. USD hat sich der CHF seit dem 1.1.2015 um 12.74% bzw. 6.04% verteuert. Aus Sicht des CHF wurde der EUR bzw. USD um 11.18% bzw. 5.7% günstiger. Übrigens habe ich diese Zahlen für den 20.02.2015 nicht berechnet, Google sei Dank.
Neulich bemerkte Swissmem-Sprecher Ivo Zimmermann, dass viele Bewerber die schulischen Voraussetzungen für eine anspruchsvolle vierjährige Industrielehre nicht erfüllen. Leider gibt es bei Swissmem nur einen Direktorposten und dieser ist mit Peter Dietrich schon besetzt. Scheinbar sind minimalste mathematische Qualifikationen für diese Stelle keine Voraussetzung:
Jedenfalls offenbart Peter Dietrich einige Schwierigkeiten mit der Prozentrechnung. Aus circa 12% werden bei ihm je nach Unternehmen zwischen 15 bis 20%. Wahrscheinlich wollen die Arbeitgeber über ihren Verband die Arbeitnehmer unter Druck setzen. Dazu passt die Schlagzeile von Swissmem-Präsident Hans Hess:
Quelle: Sonntagszeitung vom 22.02.2015 – Starker Franken: 20 000 Jobs sind in Gefahr
Mit der Angstmacherei um Jobs und der übertriebenen Darstellung des Frankenschocks können die Arbeitgeber den Arbeitnehmern Zugeständnisse abringen. Die Unternehmer verzichten ungern auf ihre Profite, infolgedessen beharren sie auf längeren Arbeitszeiten bei gleichem Lohn oder auf Lohnkürzungen.
Die Credit Suisse ermittel seit beinahe 40 Jahren jährlich mit einer repräsentativen Umfrage bei der Stimmbevölkerung ihre Hauptsorge. In diesem Sorgenbarometer ist die Arbeitslosigkeit seit 2003 die helvetische Hauptsorge. Für 51% der Schweizerinnen und Schweizer gehört diese zu den fünf wichtigsten Problemen der Schweiz, dies ist eine Zunahme um 7% im Vergleich zum Vorjahr.
In der Schweiz mit ihrer direkten Demokratie werden jährlich einige öffentliche Abstimmungskämpfe abgehalten. Dies ist einer der wichtigen Orientierungshilfen für den Stimmbürger im Vorfeld einer Abstimmung. Augenfällig werden die meisten Abstimmungskampagnen mit der Drohung von Arbeitsplatzabbau geführt.
Dieser erste Teil enthält beispielhaft vier Volksinitiativen, wobei zwei Vorlagen trotz solcher Angstmacherei vom Wahlvolk angenommen wurden. Dem Autor geht es nicht um seine Meinung für oder gegen eine dieser Volksinitiativen. Vielmehr möchte er aufzeigen, wie die Elite bewusst mit dieser Hauptsorge berechtigt oder unberechtigt das Wahlverhalten der Stimmberechtigten beeinflusst.
Es war einer der wenigen Volksinitiativen bei der sich die Angstmacherkampagne nicht durchsetzte. Am 3.03.2013 wurde die Initiative mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 67.9% angenommen. Auch die Einschüchterung mit der Gefährdung von Arbeitsplätzen durch SVP-Übervater Christoph Blocher konnte die Annahme nicht verhindern:
Herr Wehrli zeigte sich nach der Abstimmung als schlechter Verlierer. Gemäss seiner Aussage überlegen einige internationale Unternehmen den Wegzug aus der Schweiz. Zudem dementierte er ein Köpferollen bei der Economiesuisse:
Innerhalb eines halben Jahres quittierten sowohl der Direktor Pascal Gentinetta wie auch er selbst den Dienst bei Economiesuisse. Dem Autor ist bisher kein internationales Unternehmen bekannt, welches ausschliesslich aufgrund der Annahme dieser Initiative abwanderte.