Im ersten Teil unserer Analyse haben wir die Fakten westlicher Interventionspolitik beleuchtet: die Kriege, Regime Changes und das selektive Sanktionssystem. Doch diese offensichtlichen Formen der Machtausübung sind nur ein Teil eines grösseren Bildes. Dahinter liegt ein System wirtschaftlicher und institutioneller Strukturen, das seit Jahrzehnten die globalen Verhältnisse prägt. Diese Mechanismen sind raffinierter als die brutalen Methoden früherer Kolonialzeiten und funktionieren durch Wirtschaftsabkommen, internationale Institutionen und mediale Einflussnahme.

Das Ergebnis bleibt oft ähnlich: Entwicklungsländer liefern Rohstoffe und billige Arbeitskraft, während Industrienationen die Wertschöpfung kontrollieren und die Regeln definieren. Gleichzeitig zeigt sich eine selektive Aufmerksamkeit für globale Krisen. Während über Konflikte in geopolitisch wichtigen Regionen ausführlich berichtet wird, bleiben humanitäre Katastrophen in strategisch unwichtigen Gebieten oft unbeachtet.

Wirtschaftliche Abhängigkeitsstrukturen

Ungleiche Handelsbeziehungen

Der internationale Handel folgt Strukturen, die systematisch Industrieländer bevorzugen und Entwicklungsländer in der Rolle der Rohstofflieferanten gefangen halten. Multinationale Konzerne sichern sich Zugang zu Bodenschätzen, Plantagen und kostengünstigen Produktionsstätten unter Bedingungen, die für die betroffenen Länder oft wenig vorteilhaft sind. Dies funktioniert über verschiedene Mechanismen. Handelsabkommen fördern den Export von Rohstoffen, behindern aber den Aufbau lokaler Industrien. Zölle und Importbeschränkungen treffen verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern härter als Rohstoffe. Ein anschauliches Beispiel: Kakao aus Ghana kann zollfrei in die EU exportiert werden, während Schokolade aus Ghana hohe Zölle zahlen muss. So bleibt die wertschöpfende Verarbeitung in Europa.

Rohstoffbedarf der grünen Transformation

Besonders deutlich werden diese Strukturen bei den Rohstoffen für die Energiewende. Westliche Länder forcieren den Übergang zu erneuerbaren Energien und Elektromobilität, um ihre Klimaziele zu erreichen. Die dafür benötigten Materialien stammen jedoch aus Ländern, die von den Umweltkosten des Abbaus wenig profitieren. Lithium für Batterien kommt hauptsächlich aus Chile, Bolivien und Argentinien. Der Abbau verbraucht gigantische Wassermengen in ohnehin trockenen Regionen und belastet das Grundwasser. Kobalt stammt zu 70 Prozent aus der Demokratischen Republik Kongo, wo auch Kinderarbeit in illegalen Minen dokumentiert ist. Seltene Erden für Windturbinen und Solarpanels werden vor allem in China abgebaut, mit erheblichen Umweltfolgen. Die westlichen Unternehmen profitieren von diesen Technologien und können sich als Klimavorreiter positionieren. Die Umwelt- und Sozialkosten bleiben jedoch weitgehend unsichtbar, da sie fernab von Europa und Nordamerika anfallen.

IWF und Weltbank als Steuerungsinstrumente

Eine besondere Rolle spielen die Bretton Woods Institutionen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank wurden nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen, um Entwicklung zu fördern und Krisen zu verhindern. In der Praxis sind sie jedoch zu Instrumenten der Wirtschaftspolitik der Geberländer geworden. Das System funktioniert folgendermassen: Länder geraten in finanzielle Schwierigkeiten, oft durch externe Schocks wie Rohstoffpreisschwankungen oder Zinssteigerungen in den USA. Der IWF bietet Kredite an, aber nur gegen Strukturanpassungsprogramme. Diese fordern typischerweise Privatisierung staatlicher Unternehmen, Öffnung der Märkte für ausländische Investoren, Kürzung von Sozialausgaben und Deregulierung der Finanzmärkte. Das Ergebnis ist vorhersagbar: Westliche Konzerne können günstig privatisierte Unternehmen aufkaufen, neue Märkte erschliessen und Ressourcen ausbeuten. Die lokale Bevölkerung zahlt den Preis durch höhere Preise für Grundgüter, schlechtere öffentliche Dienstleistungen und weniger Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor.

Griechenland während der Eurokrise ist ein anschauliches Beispiel aus Europa. Die Troika aus EU, EZB und IWF zwang das Land zu drastischen Sparmassnahmen und Privatisierungen. Deutsche und französische Banken, die riskant an Griechenland verliehen hatten, wurden gerettet. Die griechische Bevölkerung bekam Arbeitslosigkeit und soziale Kürzungen.

Selektive Aufmerksamkeit für Krisen

Der vergessene Konflikt im Sudan

Wenn Politiker von wertebasierter Aussenpolitik sprechen, lohnt ein Blick darauf, welche Krisen Aufmerksamkeit bekommen und welche nicht. Das Muster ist aufschlussreich: Interventionen finden dort statt, wo geopolitische oder wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen. Humanitäre Katastrophen in strategisch unwichtigen Regionen werden oft ignoriert.

Seit April 2023 tobt im Sudan einer der brutalsten Konflikte weltweit. Zwei Militärfaktionen kämpfen um die Macht, mit erschütternden Folgen: Über 20’000 Tote, mehr als 10 Millionen Binnenvertriebene, 2 Millionen Flüchtlinge in Nachbarländern. In Darfur verüben paramilitärische Kräfte systematische Massaker. In der belagerten Stadt El Fascher kämpfen 300’000 Menschen ums Überleben. Experten sprechen von Kriegsverbrechen und ethnischen Säuberungen. Die UN warnt vor einer der schlimmsten humanitären Krisen weltweit. Trotzdem ist der Sudan Konflikt in westlichen Medien praktisch unsichtbar.

Warum der Sudan ignoriert wird

Der Grund für diese geringe Aufmerksamkeit liegt auf der Hand: Im Sudan gibt es für westliche Länder wenig zu holen. Das Land hat keine strategisch wichtigen Rohstoffe, liegt geografisch weit von Europa entfernt und schickt kaum Flüchtlinge in den Westen. 2023 stellten sudanesische Staatsangehörige nur etwa 10’000 Asylanträge in der EU, bei über 10 Millionen Vertriebenen im eigenen Land. Zudem fehlen klare geopolitische Fronten. Anders als in der Ukraine, wo Russland als Gegner westlicher Interessen agiert, kämpfen im Sudan zwei Fraktionen um die Macht, von denen keine den westlichen Ländern besonders nahe oder fern steht. Es gibt keine Gelegenheit, den Konflikt für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.

Historische Muster selektiver Intervention

Dieses Muster zieht sich durch die Aussenpolitik der letzten Jahrzehnte. In Ruanda massakrierten sich 1994 verschiedene Bevölkerungsgruppen gegenseitig, die internationale Gemeinschaft schaute weg, da das kleine afrikanische Land strategisch unwichtig war. Zur gleichen Zeit bombardierte die NATO Jugoslawien, offiziell aus humanitären Gründen, tatsächlich aber um russischen Einfluss auf dem Balkan zu begrenzen.

In Jemen führt Saudi Arabien seit 2015 einen verheerenden Krieg mit westlichen Waffen. Über 350’000 Menschen sind gestorben, Millionen hungern. Doch Saudi Arabien ist strategischer Partner, deshalb wird das Land nicht sanktioniert, sondern weiter mit Waffen beliefert.

Die Botschaft ist deutlich: Menschenrechte werden dann wichtig, wenn sie den Interessen der mächtigen Länder dienen. Ansonsten bleiben sie Verhandlungsmasse.

Ökologische Doppelstandards

Ungleicher Ressourcenverbrauch

Während Industrieländer anderen Ländern Nachhaltigkeit predigen, leben sie selbst weit über den ökologischen Möglichkeiten. Diese Diskrepanz zeigt sich besonders deutlich beim Ressourcenverbrauch und den CO₂ Emissionen. Die Zahlen sprechen für sich: Ein Amerikaner fliegt im Durchschnitt etwa 2’300 Kilometer pro Jahr, ein Europäer etwa 1’400 Kilometer. In Afrika oder Südasien sind es weniger als 100 Kilometer. Während im Westen Billigflieger für Wochenendtrips beworben werden, bleibt in weiten Teilen der Welt ein Flugticket Luxus.

Beim Fleischkonsum ist die Ungleichheit noch drastischer. In den USA werden pro Person und Jahr über 120 Kilogramm Fleisch konsumiert, in Europa etwa 80 Kilogramm. In vielen Ländern Afrikas und Asiens sind es weniger als 10 Kilogramm. Dabei ist Fleischproduktion einer der grössten Klimabelaster: Sie braucht enorme Flächen, verschlingt Wasser und produziert Treibhausgase.

Bei Autos ist das Verhältnis ähnlich extrem. In den USA kommen 800 Autos auf 1’000 Einwohner, in Deutschland 570, in Indien gerade einmal 22. Während westliche Städte im Verkehr ersticken, fahren in weiten Teilen der Welt die meisten Menschen Fahrrad oder gehen zu Fuss.

Die Unmöglichkeit des westlichen Lebensstils

Diese Zahlen sind mehr als Statistiken, sie zeigen die Unmöglichkeit einer globalen Ausweitung des westlichen Lebensstils. Wenn alle Menschen so leben würden wie der Durchschnittsamerikaner, bräuchten wir etwa fünf Planeten. Selbst der europäische Lebensstil würde drei Planeten erfordern.

Industrieländer haben sich die besten Ressourcen gesichert und verbrauchen sie weit über das hinaus, was nachhaltig wäre. Gleichzeitig sind es oft gerade die Länder mit dem niedrigsten Verbrauch, die am stärksten unter den Folgen leiden. Überschwemmungen in Bangladesch, Dürren in Afrika, steigende Meeresspiegel im Pazifik – die Opfer haben das Problem meist nicht verursacht.

Die Schattenseiten der grünen Transformation

Besonders problematisch wird die ökologische Diskrepanz bei der sogenannten grünen Transformation. Industrieländer inszenieren sich als Vorreiter im Klimaschutz: Elektroautos, Solarpanels, Windturbinen, Recycling. Doch diese Technologien haben ihre eigenen dunklen Seiten.

Elektroauto Batterien brauchen Lithium aus südamerikanischen Salzwüsten, wo der Abbau ganze Ökosysteme zerstört. Für ein durchschnittliches E-Auto werden etwa 8 Kilogramm Lithium benötigt – der Abbau dieser Menge verbraucht etwa 500’000 Liter Wasser. In der Atacama Wüste sinkt deshalb der Grundwasserspiegel drastisch, Flamingos sterben und Quinoa Bauern verlieren ihre Existenz. Solarpanels benötigen seltene Erden, deren Abbau in China ganze Landstriche vergiftet. Windturbinen brauchen Neodym, ein seltenes Element, dessen Gewinnung radioaktive Abfälle produziert. Die Umweltkosten bleiben unsichtbar, solange sie nicht vor der eigenen Haustür anfallen.

Medien und Politik: Narrative der Legitimation

Der Zwang zur Rechtfertigung

Ein entscheidender Unterschied zwischen demokratischen Systemen und Diktaturen liegt darin, wie politische Entscheidungen legitimiert werden. Autokraten können einfach befehlen. Demokratische Regierungen hingegen müssen ihre Bevölkerung überzeugen, besonders bei unpopulären Kriegen oder wirtschaftlichen Eingriffen.

Kaum eine Bevölkerung würde Kriege um Öl, Rohstoffe oder geopolitische Vorteile unterstützen, wenn das offen gesagt würde. Deshalb sind westliche Regierungen darauf angewiesen, moralische Erzählungen zu entwickeln. Aus Angriffskriegen werden humanitäre Interventionen, aus Rohstoffinteressen wird Demokratieexport, aus Regime Changes wird Befreiung von Diktatoren.

Diese Notwendigkeit zur Rechtfertigung macht demokratische Systeme in gewisser Weise anfälliger für Heuchelei als offene Diktaturen. Ein Putin oder Xi Jinping muss seinen Bürgern nicht erklären, warum er militärisch eingreift. Ein Trump oder Merz hingegen muss eine Geschichte erzählen, die seine Wähler überzeugt.

Medien als Vermittler der Macht

Hier kommen die Medien ins Spiel. In funktionierenden Demokratien sollten sie die Regierung kritisch begleiten und deren Behauptungen überprüfen. In der Realität werden sie oft zu Vermittlern der Macht, die Regierungsnarrative weitgehend unkritisch übernehmen. Das zeigt sich besonders deutlich in Kriegszeiten. Beim Irak Krieg 2003 übernahmen grosse Zeitungen und Fernsehsender die Behauptungen über Massenvernichtungswaffen weitgehend unkritisch. Kritische Stimmen wurden marginalisiert oder als unpatriotisch abgestempelt.

Ähnlich funktionierte es bei den NATO Bomben auf Jugoslawien 1999, den Interventionen in Libyen 2011 oder der Berichterstattung über Syrien. Immer wieder das gleiche Muster: Regierungsquellen werden als verlässlich dargestellt, offizielle Verlautbarungen unkritisch übernommen, alternative Sichtweisen ausgeblendet.

Die Mechanismen der Einflussnahme

Diese Beeinflussung funktioniert über verschiedene Kanäle. In Krisenzeiten sind Journalisten oft auf offizielle Quellen angewiesen, weil unabhängige Recherche vor Ort zu gefährlich oder teuer ist. Zudem gibt es enge Verflechtungen zwischen Politik, Think Tanks und Medien. Viele Experten, die in Talkshows auftreten, sind von Rüstungskonzernen oder Regierungen finanziert.

Auch wirtschaftlicher Druck spielt eine Rolle. Medienunternehmen sind auf Werbung angewiesen, oft von Konzernen, die von Kriegseinsätzen profitieren. Kritische Berichterstattung kann Anzeigenkunden vergraulen. Das Ergebnis ist eine Medienlandschaft, die zwar formal frei ist, aber faktisch oft die Interessen der Mächtigen bedient. Die Bürger bekommen das Gefühl, informiert zu sein, erhalten aber hauptsächlich gefilterte Regierungsversionen der Ereignisse.

Internationale Institutionen als Steuerungsinstrumente

Der UN Sicherheitsrat als Machtinstrument

Der Westen hat nach 1945 ein Netz internationaler Institutionen geschaffen, das seine Dominanz stabilisiert. Diese Organisationen werden als neutral und multilateral dargestellt, dienen aber oft als Instrumente der Machtpolitik der führenden Nationen. Das offensichtlichste Beispiel ist der UN Sicherheitsrat. Fünf Länder – USA, Russland, China, Grossbritannien und Frankreich – haben ein Vetorecht und können jede Resolution blockieren. Diese Zusammensetzung spiegelt die Machtverhältnisse von 1945 wider, nicht die heutige Welt. Indien hat viermal so viele Einwohner wie die USA, hat aber kein Vetorecht. Nigeria ist bevölkerungsreicher als Russland, Brasilien grösser als Frankreich – trotzdem sind sie zweitklassige UN Mitglieder. Das System zementiert die Vorherrschaft der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs.

In der Praxis nutzen die USA und ihre Verbündeten den Sicherheitsrat, um ihren Willen durchzusetzen oder zu blockieren. Resolutionen gegen Israel werden regelmässig von den USA verhindert, während Resolutionen gegen unliebsame Regime durchgewunken werden. Russland und China blockieren wiederum westliche Initiativen.

Die regelbasierte Ordnung der Mächtigen

Westliche Politiker sprechen gerne von der regelbasierten internationalen Ordnung, die verteidigt werden müsse. Das klingt neutral und gerecht. Schaut man genauer hin, zeigt sich: Es sind die Regeln der Mächtigen. Diese Ordnung funktioniert so: Die führenden westlichen Länder schreiben die Regeln über IWF, Weltbank und WTO, interpretieren sie über westlich dominierte Gerichte und Schiedsverfahren und setzen sie durch über Sanktionen und militärische Interventionen. Wer sich nicht daran hält, wird bestraft – es sei denn, er ist stark genug, sich zu widersetzen, oder wichtig genug, um Nachsicht zu verdienen.

Völkerrecht gilt nur selektiv. Die USA sind dem Internationalen Strafgerichtshof nie beigetreten, weil sie nicht riskieren wollen, dass ihre Soldaten oder Politiker angeklagt werden. Israels Verstösse gegen UN Resolutionen werden ignoriert, während andere Länder für geringere Vergehen sanktioniert werden.

Wirtschaftliche Kontrollinstrumente

Besonders effektiv sind die wirtschaftlichen Kontrollinstrumente. Das internationale Bankensystem ist weitgehend von westlichen Institutionen dominiert. Das SWIFT System für internationale Überweisungen wird von einer belgischen Firma kontrolliert, die eng mit der EU und den USA kooperiert. Wer vom SWIFT System ausgeschlossen wird, ist faktisch von der Weltwirtschaft abgeschnitten.

Der US Dollar als Weltleitwährung gibt Washington enormen Einfluss. Transaktionen in Dollar können von den USA kontrolliert und blockiert werden, selbst wenn sie zwischen Drittländern stattfinden. Das nutzen die USA für ihre extraterritorialen Sanktionen – sie bestrafen nicht nur direkte Handelspartner ihrer Gegner, sondern auch Drittländer, die mit diesen handeln. Diese Dominanz ermöglicht es den führenden westlichen Ländern, ihre wirtschaftlichen und politischen Vorstellungen durchzusetzen, ohne Gewalt anwenden zu müssen. Wer nicht spurt, wird wirtschaftlich unter Druck gesetzt.

Fazit: Wandel der Weltordnung

Die beschriebenen Strukturen sind raffinierter und wirksamer als die brutalen Methoden früherer Zeiten. Sie funktionieren durch wirtschaftliche Abhängigkeiten, mediale Einflussnahme und institutionelle Kontrolle. Das Ergebnis ähnelt oft der Kolonialzeit: Entwicklungsländer liefern Rohstoffe und billige Arbeitskraft, Industrieländer kontrollieren die Wertschöpfung. Diese Strukturen werden durch eine ausgeprägte Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zusammengehalten. Während man anderen Ländern Demokratie und Menschenrechte predigt, beutet man ihre Ressourcen aus und ignoriert ihre Leiden. Während man sich als Vorreiter im Klimaschutz inszeniert, verbraucht man ein Vielfaches der nachhaltigen Ressourcen.

Diese Diskrepanz funktioniert jedoch nur, solange die eigene Bevölkerung sie nicht durchschaut. Hier spielen die Medien eine Schlüsselrolle: Sie müssen die moralischen Erzählungen verbreiten, die das System legitimieren. Wenn sie versagen, bröckelt die Glaubwürdigkeit des ganzen Konstrukts. Erste Risse sind bereits sichtbar. Immer mehr Menschen durchschauen die Doppelstandards. Länder des globalen Südens organisieren sich in neuen Bündnissen jenseits westlicher Kontrolle. Die BRICS Staaten, die Shanghai Cooperation Organization, alternative Zahlungssysteme – überall entstehen Gegenpole zur westlichen Dominanz.

Die führenden westlichen Länder stehen vor einer Wahl: Entweder sie geben ihre Doppelstandards auf und akzeptieren eine multipolare Weltordnung auf Augenhöhe. Oder sie versuchen, ihre Dominanz mit zunehmend autoritären Mitteln zu verteidigen – und beweisen damit, dass sie nicht die Werte verkörpern, die sie predigen. Die Zeit der unbestrittenen westlichen Vorherrschaft geht zu Ende. Bleibt die Frage, ob der Übergang zu einer gerechteren Weltordnung gestaltet wird – oder ob sich die Geschichte als Kampf um die Erhaltung überkommener Privilegien wiederholt.

In meinem letzten Beitrag habe ich über Meinungsmache und Lückenpresse geschrieben. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Fakt ist: Die Art, wie wir uns heute informieren, hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. Schauen wir uns die Gründe für diesen Niedergang einmal genauer an.

Die technologische Revolution: Vom Informationsmonopol zur Informationsflut

Erinnern Sie sich noch? Vor nicht allzu langer Zeit hatten Journalisten praktisch das Monopol auf Nachrichten. Sie waren die Gatekeeper, die entschieden, was auf die Titelseite kam und was im Papierkorb landete. Man vertraute darauf, dass sie ihre Auswahl verantwortungsbewusst trafen, und die Presse galt als glaubwürdige Instanz.

Wer damals seine Meinung kundtun wollte, schrieb einen Leserbrief, der vielleicht Tage später (oder nie) gedruckt wurde. Ich selbst erinnere mich an Reisen in die USA in jungen Jahren: In den Parks von New York standen Menschen auf kleinen Holzkisten und hielten flammende Reden über Politik und die Welt. Ein direkter, aber eben auch sehr begrenzter Austausch.

Heute? Ein völlig anderes Bild. Plattformen wie YouTube, TikTok oder X haben die Schleusen geöffnet. Jeder kann mit einem Smartphone zum Sender werden und potenziell ein globales Publikum erreichen. Das Ergebnis ist eine gigantische Informationsflut, in der Lautstärke und Emotion oft mehr zählen als Relevanz.

Man darf sich aber nichts vormachen: Auch wenn eine Story heute auf Social Media explodiert, sind es am Ende doch meist die etablierten Medien, die ihr die grosse Bühne geben. Sie bestimmen immer noch massgeblich, was zur landesweiten Debatte wird. Eine Nachricht mag also im Netz entstehen, doch erst die Mainstream-Medien geben ihr die grosse Reichweite und öffentliche Aufmerksamkeit. So entstehen Parallelwelten, in denen Fakten, Meinungen und Gerüchte nebeneinander existieren, ohne klare Hierarchie. Der Journalist ist vom alleinigen Torwächter zum Bediener des grössten Scheinwerfers geworden.

Der Würgegriff von Algorithmen und KI

Soziale Medien haben die Spielregeln komplett neu geschrieben. Nicht mehr der Chefredakteur, sondern ein Algorithmus bei Facebook oder TikTok entscheidet, was wir sehen. Und was lieben diese Algorithmen? Emotional aufgeladene Posts, denn die bringen Klicks und Reaktionen. Nüchterne Berichterstattung hat da kaum eine Chance. Also passen sich viele klassische Medien an, werden lauter und dramatischer, nur um relevant zu bleiben.

Dazu kommt jetzt noch die Künstliche Intelligenz. Eine Google-Suche liefert heute oft eine fertige Zusammenfassung, sodass man die eigentliche Nachrichtenseite gar nicht mehr besuchen muss. Für die Online-Medien bedeutet das: noch weniger Besucher, noch weniger Werbeeinnahmen. Gleichzeitig kann KI nicht immer zwischen geprüften Fakten und ungesicherten Informationen unterscheiden. So kämpfen die Medien nicht nur gegen Influencer, sondern auch gegen intelligente Maschinen um die Deutungshoheit.

Die verzweifelte Antwort: Wie Medienkonzerne auf den Wandel reagierten

Wie haben die etablierten Medien auf diese technologische Revolution reagiert? Meistens schlecht, würde ich sagen. Statt innovative Lösungen zu finden, verfiel die Branche in einen Panikmodus aus Kostensenkung und inhaltlicher Anpassung an die neuen Spielregeln.

Hand aufs Herz: Guter Journalismus kostet Geld. Besonders investigativer Journalismus, der Missstände aufdeckt, braucht Zeit, Erfahrung und Ressourcen. Doch genau hier wird der Rotstift angesetzt. Die Werbegelder, die früher Zeitungen finanzierten, fliessen heute direkt zu Google und Meta. Um die verbliebenen Krümel des Werbekuchens abzubekommen, jagen viele Verlage verzweifelt nach Klicks.

Die Folge? Statt teurer Reporter greift man lieber auf billige Agenturmeldungen zurück. Sensationelle Schlagzeilen und emotional gefärbte Berichte versprechen mehr Traffic als sorgfältige Recherche. Social Media verstärken diesen Trend noch, da dort nur die Beiträge sichtbar werden, die starke Reaktionen auslösen. Empörung, Wut oder Angst sorgen für mehr Interaktionen als nüchterne Analysen.

Je emotionaler und polarisierender ein Beitrag ist, desto weiter verbreitet er sich in den Netzwerken. Dadurch entsteht für Redaktionen ein Anreiz, Inhalte zuzuspitzen und Konflikte zu betonen. So verlagert sich der Journalismus von gründlicher Recherche hin zur schnellen Erregung.

Schweizer Scheinvielfalt: Drei Konzerne, eine Meinung

Was auf den ersten Blick wie Vielfalt aussieht, ist oft nur eine Illusion. In der Schweiz etwa stecken hinter Dutzenden Titeln wie NZZ, Tages-Anzeiger oder Blick nur drei grosse Verlagshäuser: TX Group, Ringier und CH Media. Dazu kommt die staatsnahe SRG im Hörfunk und Fernsehen.

Diese Medienkonzentration führt zu einem homogenen Journalismus, bei dem die Beiträge zentral produziert und über verschiedene Kanäle fast identisch ausgespielt werden. Vielfalt als Marke, nicht als Inhalt – ein echtes Problem für die Meinungsbildung.

Der grosse Einheitsbrei: Wenn alle von denselben abschreiben

Die vier grossen Agenturen – Reuters, AP, AFP und DPA – beliefern praktisch alle internationalen Redaktionen. Bei der Ukraine-Berichterstattung stammten teils 80 bis 100 Prozent der Inhalte aus genau diesen Quellen, ohne eigene Recherche. Die ehemaligen Auslandskorrespondenten der grossen Redaktionen? Grösstenteils nur noch Erinnerung.

Der Einheitsbrei ist die logische Folge. Ob man die NZZ, die Tagesschau oder 20 Minuten liest – man erlebt fast dieselben Schlagzeilen und fast dieselbe Perspektive. Diese Homogenisierung ist für eine pluralistische Medienlandschaft verheerend.

Die Journalisten-Blase: Zwischen prekär und parteiisch

Hier wird es richtig interessant: Journalisten bewegen sich oft in denselben sozialen und politischen Kreisen wie Politiker, Spitzenbeamte oder Vertreter grosser NGOs. Man trifft sich bei Podiumsdiskussionen, bei Empfängen oder auf internationalen Konferenzen. Diese Nähe schafft zwar Zugang zu Informationen, aber sie hat einen hohen Preis: Die kritische Distanz geht verloren.

Wer sich regelmässig im gleichen Umfeld bewegt, übernimmt leichter dessen Perspektiven und Sprachmuster. So entstehen unbewusst ähnliche Weltbilder, in denen bestimmte Narrative als selbstverständlich gelten und andere gar nicht erst vorkommen. Mit der Zeit verengt sich der Meinungskorridor, weil alternative Sichtweisen als exotisch oder extrem wahrgenommen werden.

Gleichzeitig zerfällt das Fundament des Berufsstands von innen. Das Ansehen von Journalisten ist laut Umfragen im Keller, die Bezahlung oft mager und die Jobsicherheit durch Zeitverträge quasi nicht existent. Viele arbeiten unter prekären Bedingungen, oft in freier Mitarbeit ohne langfristige Perspektive. Das macht den Beruf für Talente wenig attraktiv und verstärkt den Trend zur oberflächlichen Berichterstattung.

Die Digitalisierung hat den Arbeitsdruck zusätzlich verschärft. Früher hatten Redaktionen klare Abgabefristen für Printausgaben oder Nachrichtensendungen, heute verlangt der Online-Betrieb ständige Aktualisierungen. Meldungen müssen im Minutentakt erscheinen, damit die Website Klicks generiert und in Suchmaschinen sichtbar bleibt. Unter diesem Zeitdruck bleibt kaum Raum für gründliche Recherche.

Selbstzensur: Wenn Karriere vor Wahrheit geht

Selbstzensur und Opportunismus sind längst weit verbreitet, auch wenn sie selten offen zugegeben werden. Viele Redaktionen reagieren empfindlich auf öffentlichen Druck. Wer als Journalist allzu stark von der Mehrheitsmeinung abweicht, riskiert nicht nur Kritik, sondern auch den Verlust von Karrierechancen.

Während der Corona-Pandemie war dieses Phänomen besonders deutlich. Kritiker der Lockdown-Politik oder der Impfpflicht wurden in vielen Medien vorschnell als Verschwörungstheoretiker oder Schwurbler abgewertet, statt dass man ihre Argumente sachlich geprüft hätte. Kaum eine Redaktion wollte in den Verdacht geraten, die Massnahmen der Regierung infrage zu stellen.

Ähnlich zeigte sich das beim Ukraine-Krieg. Wer die westliche Politik kritisch betrachtete oder auf Versäumnisse der NATO hinwies, lief Gefahr, sofort als Putin-Versteher abgestempelt zu werden. Solche Mechanismen führen dazu, dass Journalisten nicht nur aus Angst vor öffentlicher Kritik zurückhaltend sind, sondern auch aus purem Opportunismus. Es ist schlicht bequemer, sich der Mehrheitsmeinung anzuschliessen, als gegen den Strom zu schwimmen.

Politik vor Bürgermeinung

Bei der Berichterstattung fällt auf, dass nicht die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung, sondern die politische Mehrheitsmeinung dominiert. Besonders beim Ukraine-Krieg wirkten viele grosse Medien wie Verstärker der Regierungslinie. Ob diese Darstellung tatsächlich die Haltung der Bürger widerspiegelt, bleibt fraglich. Kritische oder differenzierte Stimmen kamen kaum vor und wurden oft in eine Aussenseiterrolle gedrängt.

Für viele Zuschauer entsteht so der Eindruck einer verzerrten Berichterstattung. Manche wenden sich enttäuscht von den etablierten Medien ab und suchen alternative Quellen. Auch ich frage mich zunehmend, warum ich für eine solche einseitige Darstellung überhaupt noch bezahlen sollte.

Talkshows als Schauprozess

Bei vielen Talkrunden im ZDF oder der ARD fällt auf, dass die Auswahl der Gäste oft einseitig ist. Häufig sitzen vier oder fünf Personen auf dem Podium, von denen drei oder vier die politische Mehrheitsmeinung vertreten. Der einzelne Gast mit einer abweichenden Position wird dadurch automatisch in die Defensive gedrängt.

Besonders während der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs war dieses Muster häufig zu beobachten. Wer nicht auf Regierungslinie argumentierte, wurde schnell in die Ecke der Schwurbler oder Putin-Versteher gestellt. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Interviews mit Politikern. Kommt der Gesprächspartner aus einer Partei wie der AfD, ist der Ton der Moderatoren deutlich härter als bei Gästen aus der CDU oder der SPD. Diese unterschiedliche Behandlung vermittelt den Eindruck mangelnder Ausgewogenheit.

Die wahren Experten schlagen zurück

Hier wird es paradox: Dank der technologischen Entwicklung können heute nicht nur Journalisten ein grosses Publikum erreichen. Wissenschaftler, Ärzte, Juristen oder ehemalige Diplomaten veröffentlichen ihre Analysen direkt über Blogs, Podcasts oder soziale Medien. Oft haben diese Experten einen viel besseren Einblick in komplexe Themen, da sie geografisch oder beruflich näher an den Ereignissen sind als eine Redaktion in Zürich, Berlin oder Wien.

Früher waren sie darauf angewiesen, dass ein Journalist ihre Einschätzungen aufgreift und veröffentlicht. Heute können sie ihre Sicht der Dinge unabhängig und in voller Länge darstellen. Dadurch sind viele Leser und Zuschauer nicht mehr nur auf die klassische Berichterstattung angewiesen.

Besonders in Krisen wie der Corona-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg haben sich einige Fachleute mit präzisen Analysen einen Namen gemacht, während grosse Medien oft hinterherhinkten oder vereinfachten. Das Publikum erkennt, dass wahre Expertise manchmal wertvoller ist als die Meinung eines Kommentators im Feuilleton. Dadurch entsteht für den Journalismus eine neue Konkurrenz um Glaubwürdigkeit und Relevanz. Wer nur Schlagzeilen liefert, verliert gegen jemanden, der tiefes Wissen und nachvollziehbare Argumente bietet.

Fazit: Ein System im freien Fall

Der Journalismus ist heute ein Gefangener seiner selbst. Viele Redaktionen stecken in einer Abwärtsspirale, aus der sie kaum herausfinden. Wenn Medien über Jahre hinweg einseitig berichten, bemerken das immer mehr Konsumenten. Sie wenden sich von den etablierten Kanälen ab, weil sie das Vertrauen in deren Unabhängigkeit verlieren.

Wer sich nicht mehr ernst genommen fühlt, ist auch nicht mehr bereit, für deren Inhalte zu zahlen. Sinkende Einnahmen führen zu weiteren Sparrunden, wodurch noch weniger Ressourcen für kritische Recherche und investigative Arbeit übrig bleiben. Stattdessen wächst die Abhängigkeit von Nachrichtenagenturen und vorgefertigten Meldungen, die alle gleich klingen.

Doch eine Halbwahrheit wird nicht wahrer, nur weil sie von vielen Medien gleichzeitig verbreitet wird. Einige Menschen erkennen dies und suchen gezielt nach alternativen Informationsquellen. Andere wiederum ziehen sich aus der öffentlichen Debatte zurück, da sie das Gefühl haben, ohnehin keine objektiven Informationen mehr zu erhalten.

So verliert der Journalismus sein Publikum und seine gesellschaftliche Rolle als vierte Gewalt. Wer keine Vielfalt mehr bietet, darf sich nicht wundern, wenn sich Leser und Zuschauer abwenden. Je stärker die Kritik an den Mainstream-Medien wächst, desto defensiver reagieren viele Redaktionen und desto enger wird oft ihr Meinungskorridor.

Die Digitalisierung hat das alte Geschäftsmodell zerstört und das Informationsmonopol der Presse gebrochen. Sinkende Einnahmen führten zu Sparmassnahmen, zu weniger investigativer Recherche und zu einer wachsenden Abhängigkeit von Agenturen und zentralen Quellen. Damit ging die Rolle der vierten Gewalt verloren, die Politik und Macht kritisch hinterfragen sollte.

Stattdessen zeigen sich enge Verflechtungen zwischen Journalisten, politischen Akteuren und grossen Netzwerken, die den Meinungskorridor verengen. Hinzu kommt die sichtbare politische Schlagseite vieler Redaktionen, deren Mitglieder überwiegend dem linken Spektrum angehören und konservative Perspektiven oft nur eingeschränkt zu Wort kommen lassen.

Diese Homogenität verstärkt den Eindruck, dass Medien nicht mehr unabhängig berichten, sondern vor allem eine politische Mehrheitsmeinung absichern. Das Publikum bemerkt diese Einseitigkeit und wendet sich zunehmend alternativen Informationsquellen zu. Dadurch geraten die etablierten Medien finanziell noch stärker unter Druck, was den Teufelskreis aus Sparmassnahmen, einseitiger Berichterstattung und Vertrauensverlust weiter antreibt.

Ich persönlich bin kaum noch bereit, neben den obligatorischen Beträgen zusätzlich für solchen Journalismus zu zahlen. Dieser Sensationsjournalismus ist mir keinen Pfennig wert, denn er kostet mich wertvolle Lebenszeit.

So verstärkt sich der Niedergang eines Berufsstandes, der einst als Garant für Demokratie und Meinungsvielfalt galt. Ohne eine Rückbesinnung auf Unabhängigkeit, Vielfalt und kritische Distanz droht der Journalismus seine gesellschaftliche Relevanz endgültig zu verlieren. Die Branche täte gut daran, diese Warnsignale ernst zu nehmen, bevor es endgültig zu spät ist.

Was war die Motivation, diesen Text zu verfassen?

  • Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie war ich oft enttäuscht von der einseitigen Berichterstattung unserer Medien. Vor diesem Zeitpunkt habe ich, wenn es die Zeit zuliess, oft „Echo der Zeit” von Radio SRF gehört. Irgendwann habe ich das Radio einfach ausgeschaltet, wenn der Beitrag zum wiederholten Mal das Thema Corona beinhaltete. Das Gleiche geschah dann auch beim Ukraine-Krieg. Dabei hat die Berichterstattung im „Echo der Zeit” noch ein gewisses Niveau. Die Schlagzeilen im Online-Blick waren sowohl während der Pandemie und insbesondere während des Ukraine-Kriegs so spekulativ und falsch. Gemäss dem Blick müsste Putin schon längst an einer Krankheit gestorben sein und das Waffenarsenal müsste schon längst erschöpft sein. Zudem wäre der wirtschaftliche Untergang schon längst Tatsache. Nichts davon ist bisher eingetroffen. Ich frage mich manchmal, ob sich die Journalisten für ihre Fehlleistungen nicht schämen.
  • Ich selbst bin in den sozialen Medien kaum aktiv, doch die Kommentarspalten der Online-Medien überfliege ich regelmässig. Dabei fällt mir immer wieder auf, wie sehr die dort geführten Diskussionen den Einfluss der Berichterstattung widerspiegeln. Bestimmte Artikel ziehen fast ausschliesslich ein homogenes Publikum an, das jede abweichende Meinung sofort abwehrt. Wer es wagt, eine Gegenposition einzunehmen, wird nicht mit Argumenten, sondern mit Etiketten wie „Schwurbler” oder „Putin-Versteher” abgestempelt. So entsteht kein echter Austausch, sondern ein Klima der Abgrenzung. Gerade die Orte, die eigentlich einen offenen Dialog ermöglichen könnten, bestätigen nur die vorherrschende Meinung. Dieses Verhalten ist keine Zufallserscheinung, sondern eine Folge der Art und Weise, wie viele Medien ihre Themen aufbereiten und welche Wertungen sie bereits in der Darstellung mitliefern.
  • Was ich als schlechte Tugend unserer Medien erachte, ist das Framing. Damit kommt oft schon eine Wertung daher, die möglicherweise völlig falsch ist.

Anhand dreier Beispiele soll im Folgenden die Dysfunktion der Medien aufgezeigt werden. Während der Corona-Pandemie fungierten sie als Erfüllungsgehilfen der Politiker:innen, im Ukraine-Krieg dominierte eine westlich gefärbte Sichtweise und der US-Wahlkampf 2024 war geprägt von Wunschdenken statt Realität. Es sei darauf hingewiesen, dass die vorliegende Meinung zu den betreffenden Themen von sekundärer Relevanz ist. Fest steht jedoch, dass die Berichterstattung nicht mehr als ausgewogen zu bezeichnen ist. In der vorliegenden Abhandlung sollen die Ursachen für den signifikanten Niedergang des Journalismus nur am Rande erörtert werden.

Vom Reporter zum Meinungsmacher

Natürlich verklärt die Erinnerung manches, doch der Journalismus hat sich in den letzten Jahrzehnten spürbar verändert. Früher war es selbstverständlich, dass Reporter vor Ort recherchierten, sich mit Menschen trafen und sich ein eigenes Bild machten. Heute entsteht vieles aus dem Büro heraus – gespeist von Agenturmeldungen, Social Media und Pressestatements. Auch die klare Trennung von Nachricht und Kommentar, die einst ein Grundpfeiler journalistischer Arbeit war, verschwimmt zunehmend: Wertungen und Haltungen mischen sich in die Darstellung von Fakten. Statt nüchterner Information dominiert Meinungsmache, die den Lesern oft vorgibt, was sie zu denken haben. Hinzu kommt der ökonomische Druck, Reichweite und Klickzahlen in den Vordergrund zu stellen. Das führt zu Zuspitzung und Emotionalisierung sowie zur Jagd nach Empörung, da sich diese besser verkauft als nüchterne Analyse. Dadurch hat die Vielfalt an Perspektiven abgenommen – nicht nur, weil viele Verlage fusionierten, sondern auch, weil sich Journalisten gegenseitig stark aneinander orientieren und so ähnliche Sichtweisen verbreiten. Schnelligkeit ersetzt Gründlichkeit: Meldungen müssen sofort online sein, auch wenn Hintergrund und Kontext fehlen. Dabei werden Themen stärker auf Personen zugespitzt, anstatt komplexe Zusammenhänge differenziert darzustellen. Durch Social Media hat sich dieser Trend noch verstärkt: Journalisten reagieren auf Shitstorms und übernehmen Impulse aus Trends, anstatt eigenständig Themen zu setzen. All dies hat das Vertrauen in die Medien erodieren lassen, da die Leserschaft die Medien weniger als unabhängige Beobachter, sondern vielmehr als Akteure mit einer Agenda wahrnimmt. Früher konnten Redaktionen noch stärker bestimmen, was als wichtig galt – heute sind sie von Algorithmen und Stimmungen im Netz getrieben. Der Journalismus ist dadurch schneller, lauter und meinungsfreudiger geworden, aber auch oberflächlicher, homogener und weniger verlässlich.

Framing – Wie Worte Wirklichkeit schaffen

Framing gehört zu den subtilsten, aber auch gefährlichsten Methoden moderner Medien. Gemeint ist die bewusste Rahmung von Ereignissen oder Personen durch bestimmte Begriffe, die beim Publikum sofort bestimmte Emotionen oder Wertungen hervorrufen. Die Kommunikationswissenschaft hat diesen Effekt vielfach untersucht und dabei festgestellt, dass die Wortwahl den Blickwinkel der Rezipienten prägt, ohne dass ihnen dies immer bewusst ist. Gerade deshalb halte ich Framing für hochproblematisch. Ein Beispiel ist der Begriff „prorussische Separatisten“. Er wird fast ausschliesslich so verwendet, obwohl es sich dabei um Ukrainer handelt, die andere politische Vorstellungen haben. Durch das Framing werden sie sprachlich aus ihrer nationalen Identität herausgelöst. Ähnlich verhält es sich bei Giorgia Meloni. Über einen längeren Zeitraum hinweg wurde sie in vielen Medien fast automatisch als „postfaschistisch“ bezeichnet. Dadurch wurde jede politische Diskussion von vornherein durch einen historischen Makel belastet. Im Fall des Krieges in der Ukraine ist der Ausdruck „brutaler Angriffskrieg” ein weiteres Beispiel. Natürlich handelt es sich um einen Krieg mit grossen Opfern, doch der Begriff „brutal” setzt eine Bewertung voraus, die eher an den Vietnamkrieg oder ähnliche Massaker erinnert. Hier wird durch Sprache Emotionalität erzeugt, die eine sachliche Analyse erschwert. Interessant ist, dass bei Bundeskanzler Merz ein gegenteiliges Muster zu beobachten ist: Obwohl er mit seiner Schuldenbremse falsche Versprechen gemacht hat, würde man ihn kaum als „Lügenkanzler“ bezeichnen. Doch diese Form des Framings wird von den Medien kaum aufgegriffen. Das zeigt, dass Framing selektiv angewendet wird – je nachdem, ob es in die gewünschte Erzählung passt. Die Gefahr besteht darin, dass Bürger ihre Meinungen nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Grundlage manipulierter Rahmungen bilden. Wer permanent mit solchen Begriffen konfrontiert wird, nimmt die Realität in einem vorgefertigten Raster wahr. Framing ersetzt somit die offene Debatte durch eine lenkende Sprache, die die Grenzen des Denkbaren vorgibt.

Zensur oder Schutz? Wenn Politik Informationen sperrt

Zensur ist ein heikles Thema in jeder Demokratie, denn sie greift unmittelbar in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger ein. Wenn ehemalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Zeitschrift Compact verbietet oder in der Europäischen Union gleich mehrere russische Fernsehsender wie RT und Sputnik untersagt werden, dann zeigt sich, wie sehr die Politik versucht, Informationsflüsse zu kontrollieren. Befürworter solcher Massnahmen argumentieren mit dem Schutz vor Desinformation und Propaganda. Doch diese Haltung verkennt, dass mündige Bürger selbst entscheiden sollten, welche Informationen sie konsumieren und welchen Quellen sie Glauben schenken. Die politische Macht, den Zugang zu bestimmten Medien zu sperren, öffnet einer gefährlichen Praxis Tür und Tor. Wer einmal damit anfängt, Inhalte zu verbieten, wird schnell weitere Begründungen finden, warum die eine oder andere Meinung angeblich nicht mehr tragbar ist. Viel wichtiger wäre es, gerade junge Menschen zu befähigen, zwischen wahren und unwahren Informationen zu unterscheiden. Kritisches Denken, Quellenbewertung und der Vergleich unterschiedlicher Perspektiven sind die eigentlichen Schlüsselkompetenzen der Gegenwart. Eine Meinung gewinnt an Substanz, wenn man sie auch an extremen oder gegenteiligen Positionen misst. Oft liegt die Wahrheit nicht am äussersten Ende des Spektrums, sondern irgendwo dazwischen. Sich mit anderen Sichtweisen auseinanderzusetzen ist zwar anstrengend, schützt aber davor, einseitigen Deutungen zu verfallen. Verbote hingegen fördern Misstrauen und treiben problematische Inhalte in schwer kontrollierbare Parallelstrukturen. Zensur schwächt somit nicht nur die Informationsfreiheit, sondern auch das Vertrauen in den demokratischen Diskurs. Eine offene Gesellschaft sollte extreme, unbequeme und sogar falsche Meinungen aushalten können, sofern die Bürger lernen, sich selbst ein Urteil zu bilden.

Die Lügen- und Lückenpresse

Wenn von der „Lügenpresse“ die Rede ist, denken viele an falsche Berichte oder manipulierte Fakten. Doch mindestens ebenso problematisch ist die „Lückenpresse“. Denn die öffentliche Meinung wird nicht nur durch das geprägt, was berichtet wird, sondern auch durch das, was verschwiegen oder an den Rand gedrängt wird. Wenn Medienschaffende bestimmte Themen stark hervorheben und andere nahezu vollständig ignorieren, entsteht ein verzerrtes Bild der Realität. Gerade die Auswahl der Themen bestimmt, was als wichtig wahrgenommen wird und worüber die Gesellschaft diskutiert. Während über einige Konflikte täglich in allen Kanälen berichtet wird, verschwinden andere Krisen fast vollständig aus der öffentlichen Wahrnehmung. Auch innerhalb einzelner Debatten werden unliebsame Argumente oft ausgespart oder in Nebensätzen abgehandelt. So wurde in der Corona-Pandemie die Kritik an Massnahmen meist marginalisiert, im Ukraine-Krieg eine differenzierte Sichtweise weitgehend ausgeschlossen und im US-Wahlkampf 2024 wurde Kamala Harris von den Medien gezielt hochgeschrieben.

Die Lückenpresse wird besonders deutlich im Übergang von der Pandemie zum Ukraine-Krieg. Kaum war das Virus aus den Schlagzeilen verschwunden, bestimmten Panzer, Raketen und Sanktionen die mediale Agenda. Die ständige Fokussierung auf den neuen Konflikt verhinderte eine ernsthafte Reflexion der Medien über ihre eigene Rolle während der Pandemie. Fragen nach der Evidenz vieler Massnahmen, nach der Ausgrenzung von Kritikern oder nach den massiven gesellschaftlichen Folgen wurden nicht mehr gestellt. Ein grosses Thema löste das andere ab, sodass der dringend notwendigen Aufarbeitung elegant ausgewichen werden konnte. Genau hier zeigt sich die Mechanik der Lückenpresse. Was nicht mehr berichtet wird, verschwindet aus dem kollektiven Gedächtnis. Die Bürgerinnen und Bürger gewinnen dadurch den Eindruck, dass die Debatte abgeschlossen sei, obwohl sie nie geführt wurde.

Die Lückenpresse wirkt dabei zwar subtiler als offensichtliche Falschmeldungen, ist aber nicht weniger gefährlich. Denn wer Themen bewusst ausklammert, steuert das Meinungsklima ebenso wirksam wie durch offene Parteinahme. In der Folge verschiebt sich der öffentliche Diskurs: Manche Fragen gelten als gesetzt, während andere gar nicht erst gestellt werden dürfen. Für die Leserinnen und Leser entsteht dadurch ein unausgewogenes Bild, das weniger von Faktenvielfalt als von selektiver Wahrnehmung geprägt ist. Trump sprach in diesem Zusammenhang oft von „Fake News“ – und auch wenn seine Wortwahl überzogen war, so liegt in dieser Kritik ein Kern der Wahrheit. Medien verlieren nicht nur durch falsche Informationen, sondern auch durch ihre selektive Themenwahl an Glaubwürdigkeit. Deshalb ist es entscheidend, dass Journalismus wieder seiner eigentlichen Aufgabe nachkommt und die Wirklichkeit möglichst umfassend darstellt, statt sie durch Lücken und Einseitigkeit zu verengen.

Wahlkampf 2024 – Trump vs. Harris

Im Wahlkampf 2024 wurde besonders deutlich, wie stark die Medien Stimmungen prägen können. Kamala Harris galt lange als unauffällige und profillose Vizepräsidentin, die weder durch eigene Ideen noch durch besondere Beliebtheit aufgefallen war. In vielen Kommentaren wurde sie als enttäuschend, unpopulär und geradezu als Problemfall innerhalb der Demokraten beschrieben. Noch wenige Monate vor dem entscheidenden Moment schien ihre politische Karriere beendet. Doch mit dem Rückzug von Joe Biden änderte sich die Berichterstattung grundlegend. Aus der unscheinbaren Harris wurde plötzlich eine Hoffnungsträgerin, die von vielen Journalisten beinahe hymnisch gefeiert wurde. Dieselben Medien, die sie zuvor als schwach dargestellt hatten, sprachen nun von Dynamik, Charisma und Führungsstärke. Harris wurde innerhalb kürzester Zeit hochgelobt, als wäre sie die einzige Rettung gegen Donald Trump. Diese Kehrtwende wirkte jedoch weniger wie eine echte Neubewertung, sondern vielmehr wie ein Reflex der Branche, sich schnell einer neuen Erzählung anzuschliessen. Wahlprognosen, die ihr deutliche Vorteile zuschrieben, wirkten dabei mehr von Wunschdenken getragen als von nüchterner Analyse. Die Gleichförmigkeit der Kommentare machte deutlich, wie stark Journalisten einander folgen und wie wenig Widerspruch sie zulassen. Harris verwandelte sich über Nacht von einer politischen Randfigur zu einer Art Prinzessin, weil es die mediale Dramaturgie verlangte. Ob sie tatsächlich über die politische Substanz verfügte, die man ihr plötzlich zuschrieb, blieb dabei weitgehend ungeprüft. Für viele Beobachter war dies ein Beispiel dafür, wie Medien Realitäten konstruieren können, die nicht unbedingt der Wirklichkeit entsprechen.

Corona und die Medien: Von Kritikern zu Schwurblern

In der Corona-Pandemie haben nicht nur Politiker, sondern auch die Medien erhebliche Fehlleistungen gezeigt. Anstatt ihre klassische Rolle als kritische Beobachter und Kontrollinstanz einzunehmen, wirkten sie oft wie ein verlängerter Arm der Politik. Wer Zweifel an den Massnahmen äusserte, wurde nicht als Teil einer demokratischen Debatte wahrgenommen, sondern sofort in eine Ecke gestellt. Begriffe wie „Schwurbler” oder „Covidiot” wurden inflationär verwendet, um Kritik zu diskreditieren. Dadurch wurde eine Polarisierung erzeugt, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig beschädigte. Aus heutiger Sicht zeigt sich zudem, dass viele Massnahmen nicht evidenzbasiert, sondern eher aus politischem Aktionismus heraus ergriffen wurden. Ein Beispiel ist der Appell „Retten Sie Leben, bleiben Sie bitte zu Hause!”. Solche Parolen vernachlässigten die Lebensrealität von Menschen, die auf engem Raum ohne Rückzugsmöglichkeiten ausharren mussten, völlig. Wer, wie die Mitglieder des Bundesrates, in grosszügigen Wohnungen mit Garten lebt, hat kaum ein Gefühl dafür, wie belastend die Situation für eine Familie in einer kleinen Wohnung sein konnte. Hinzu kam, dass das Wetter im Frühling 2020 besonders schön war, wodurch sich der Widerspruch zwischen staatlicher Anweisung und menschlichen Bedürfnissen noch verstärkte. Anstatt eine offene Diskussion über Sinn und Unsinn einzelner Massnahmen zu führen, machten die Medien regelrecht Jagd auf Kritiker. Massnahmen wie Maskenpflicht, Lockdowns oder Impfdruck hätten in einer pluralistischen Gesellschaft unterschiedlich bewertet werden dürfen. Doch wer Gegenargumente vorbrachte, galt schnell als unsolidarisch oder sogar gefährlich. Damit haben die Medien ihre Glaubwürdigkeit als Forum für eine ausgewogene Debatte verloren. Bis heute fehlt eine umfassende Aufarbeitung der Frage, wie es zu dieser engen Nähe zwischen Politik und Medien kam. Die damaligen Entscheidungen wurden nicht kritisch durchleuchtet und der Tonfall der Berichterstattung wurde nicht hinterfragt. Die Folge ist ein massiver Vertrauensverlust in die Medienlandschaft. Viele Menschen haben das Gefühl, dass nicht mehr alle Stimmen gehört werden dürfen. Diese Erfahrung wird lange nachwirken, da sie das Verhältnis zwischen Bürgern, Politik und Medien nachhaltig beschädigt hat. Eine offene Gesellschaft muss Kritik aushalten – auch in Krisenzeiten. Gerade dann ist es Aufgabe der Medien, Vielfalt abzubilden und nicht Konformität zu erzwingen.

Der Ukraine-Krieg und die Einseitigkeit der Berichterstattung

Die Berichterstattung über den Ukraine-Krieg in den deutschsprachigen Medien ist nahezu ausschliesslich aus westlicher Perspektive geprägt. Eine offene Diskussion über die Ursachen oder die Schuldfrage findet kaum statt. Wer darauf hinweist, dass Russland eigene sicherheitspolitische Interessen verfolgt, wird schnell als „Putin-Versteher“ bezeichnet. Damit wird ein wichtiger Teil der Debatte im Keim erstickt. Anstatt unterschiedliche Sichtweisen abzubilden, übernehmen die Medien meist unhinterfragt die offizielle politische Linie der NATO-Staaten. So wird der Krieg vor allem als imperialistischer Angriff Putins dargestellt, verbunden mit der These, er wolle ein russisches Grossreich wiedererrichten. Dass Russland jedoch auch eigene Begründungen anführt, beispielsweise den Schutz der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine oder die Ablehnung einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, wird kaum erwähnt oder sofort als Propaganda abgetan. Die Möglichkeit, dass es sich um einen Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den USA handeln könnte, wird von vornherein ausgeschlossen. Dadurch wird der Konflikt stark vereinfacht und auf eine moralische Schwarz-Weiss-Logik reduziert. Gerade in einem so komplexen geopolitischen Kontext wäre es jedoch Aufgabe der Medien, alle Argumente auf den Tisch zu legen. Nur so könnten sich Bürger eine fundierte Meinung bilden. Stattdessen wird jede differenzierende Perspektive als gefährlich oder unsolidarisch dargestellt. Kritische Stimmen, die vor einer Eskalation warnen oder Verhandlungen fordern, kommen nur am Rande vor. So verengen die Medien den Diskurs und tragen dazu bei, dass die Gesellschaft gespalten wird. Ein verantwortungsvoller Journalismus müsste die verschiedenen Narrative nebeneinanderstellen und deren Plausibilität prüfen. Doch das geschieht nicht. Am Ende bleibt der Eindruck, dass die Öffentlichkeit nicht umfassend informiert, sondern einseitig auf Linie gebracht wird.

Fazit

In einer Demokratie kommt den Medien die Rolle der vierten Gewalt zu. Doch dieser Aufgabe werden sie immer weniger gerecht. Anstatt die Politik kritisch zu hinterfragen, übernehmen sie häufig deren Narrative und geben sie ungefiltert weiter. Während der Corona-Pandemie standen viele Redaktionen den Regierungen näher als den Bürgern und stempelten Kritiker schnell als „Schwurbler“ ab. Auch im Ukraine-Krieg ist die Berichterstattung fast ausschliesslich westlich geprägt und lässt kaum differenzierte Sichtweisen zu. Im US-Wahlkampf 2024 konnte man beobachten, wie Kamala Harris innerhalb kürzester Zeit von einer unauffälligen Vizepräsidentin zur medialen Hoffnungsträgerin hochgeschrieben wurde. Hinzu kommt die Praxis des Framings, die durch geschickte Wortwahl Meinungen lenkt und komplexe Sachverhalte in einfache Schwarz-Weiss-Muster presst. Ebenso problematisch ist die Lückenpresse. Denn nicht nur das, was berichtet wird, prägt den öffentlichen Diskurs, sondern auch das, was bewusst ausgelassen wird. So löste der Ukraine-Krieg das Thema Pandemie nahtlos ab – eine kritische Aufarbeitung der damaligen Fehler fand kaum statt.

Für das Publikum bedeutet dies, dass es sich zunehmend aus homogenen Informationsquellen bedienen muss. Viele Menschen sind weder bereit noch in der Lage, sich aus unterschiedlichen Perspektiven zu informieren. Selbst wer es versucht, stösst schnell an Grenzen, da ein medialer Einheitsbrei dominiert und abweichende Stimmen selten zu hören sind. Damit verlieren Medien das, was sie eigentlich auszeichnen sollte: Vielfalt, Unabhängigkeit und kritische Distanz. Das Vertrauen schwindet, weil Bürger zunehmend das Gefühl haben, nicht die volle Wahrheit zu erfahren.

Ein demokratisches Gemeinwesen ist jedoch auf Medien angewiesen, die Missstände aufdecken, Macht kontrollieren und verschiedene Sichtweisen sichtbar machen. Die Rückkehr zu dieser Kernaufgabe ist dringend notwendig. Andernfalls drohen die Medien, endgültig vom Korrektiv der Politik zum Verstärker von Machtinteressen zu werden.

Seit circa Mitte Februar ist die Wortwahl eines starken CHF teilweise übertrieben. Ebenso könnte von einem schwachen EUR gesprochen werden:

EUR-Schwäche

Damit würde die mehrheitlich negative belegte Berichterstattung über den angeblichen „Frankenschock“ in den Medien ihre Berechtigung verlieren. Im Vordergrund steht die Angstmacherei um die Arbeitsplätze:


Quelle: SRF, Arna vom 20.03.2015 – Starker Franken: Jobkiller oder billige Ausrede?

In der Hoffnung auf mehr Aufmerksamkeit bewirtschaften die Medien gerne diese Ängste. Von Swissmem-Präsident Hans Hess gibt es zwei interessante Aussagen:


Quelle: Bilanz, Business-Talk vom 19.03.2015 – Werkplatz Schweiz: Die Zerreissprobe

Es ist nachvollziehbar das eine Firma mit einer EBIT-Marge von 4% bei einer Preisreduktion um 10% einen Verlust einfährt. Glücklicherweise spricht er nicht wie der Präsident desselben Wirtschaftsverbandes von den übertriebenen 15-20%. Dies lässt hoffen, auch bei Swissmem gibt es Verantwortliche, die des Rechnens mächtig sind. Die zweite Aussage ist ein Beispiel, wie unseriös gewisse Medien arbeiten. Was nicht gesagt wurde wird einfach erfunden, dieses Mal handelt es sich um die Anzahl der gefährdeten Arbeitsplätze. Die Medien wollen primär Prognosen über die betroffenen Arbeitsplätze, solche Schlagzeilen verkaufen sich besser.

Sicherlich nutzen zurzeit einige Unternehmen den erstarkten CHF als Hauptgrund für die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Man wünscht von denselben Anstalten dieselbe Geschwindigkeit bei der Wahrnehmung von technischen Innovationen.

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Es ist bekannt, dass einige Politiker aufgrund ihrer Ideologie gewisse Zahlen uminterpretieren bzw. es mit der Mathematik nicht so exakt nehmen. Offensichtlich sind sie damit die Vorbilder für etliche Vereinsfunktionäre, Journalisten und Unternehmer.

Mit der Aufhebung der Euro-Kurs-Untergrenze prägt der Begriff Frankenschock die Medienlandschaft. Nach der Aufgabe am 15.01 bis am 23.01.2015 war der CHF teilweise gegenüber dem EUR um 20% teurer. Danach schwächte sich der Frankenschock um einige Prozente ab. Scheinbar wollen einige Akteure dies nicht zur Kenntnis nehmen oder sie bekunden etliche Mühe mit der Prozentrechnung.

Kurs CHF gegenüber EUR und USD seit 01.01.2015

Aus Sicht des EUR bzw. USD hat sich der CHF seit dem 1.1.2015 um 12.74% bzw. 6.04% verteuert. Aus Sicht des CHF wurde der EUR bzw. USD um 11.18% bzw. 5.7% günstiger. Übrigens habe ich diese Zahlen für den 20.02.2015 nicht berechnet, Google sei Dank.

Aus 12% werden bei Swissmem mit Peter Dietrich 15-20%

Neulich bemerkte Swissmem-Sprecher Ivo Zimmermann, dass viele Bewerber die schulischen Voraussetzungen für eine anspruchsvolle vierjährige Industrielehre nicht erfüllen. Leider gibt es bei Swissmem nur einen Direktorposten und dieser ist mit Peter Dietrich schon besetzt. Scheinbar sind minimalste mathematische Qualifikationen für diese Stelle keine Voraussetzung:


Quelle: Radio SRF 1 vom 21.02.2015 – Trend, Swissmem-Direktor Dietrich

Jedenfalls offenbart Peter Dietrich einige Schwierigkeiten mit der Prozentrechnung. Aus circa 12% werden bei ihm je nach Unternehmen zwischen 15 bis 20%. Wahrscheinlich wollen die Arbeitgeber über ihren Verband die Arbeitnehmer unter Druck setzen. Dazu passt die Schlagzeile von Swissmem-Präsident Hans Hess:
Sonntagszeitung Swissmen vom 22.02.2015
Quelle: Sonntagszeitung vom 22.02.2015 – Starker Franken: 20 000 Jobs sind in Gefahr

Update 22.03.2015: Diese Aussage von den 20‘000 gefährdeten Jobs ist eine Zeitungsente. Siehe Beitrag „Das Gejammer über starken Schweizer Franken langweilt – Teil 1„.

Mit der Angstmacherei um Jobs und der übertriebenen Darstellung des Frankenschocks können die Arbeitgeber den Arbeitnehmern Zugeständnisse abringen. Die Unternehmer verzichten ungern auf ihre Profite, infolgedessen beharren sie auf längeren Arbeitszeiten bei gleichem Lohn oder auf Lohnkürzungen.

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Beim Massaker in Oslo und auf der Insel Utoya vom 22.07.2011 konnten die Öffentlichkeit das kollektive Medienversagen live mitverfolgen. Am Abend dieses Freitags wurden Thesen in einer sensiblen Angelegenheit über die Täterschaft durch die Medien verbreitet.

Obwohl die norwegischen Behörden vorbildlich und gestützt auf Fakten die Öffentlichkeit informierte, hielten sich unsere westlichen Medien nicht mit falschen Vermutungen über die angebliche Täterschaft zurück.

Voreingenommen Medien: Terroranschlag + Vermutungen = Moslem

Scheinbar haben unsere Medien das Feindbild vom Islam schon so verinnerlicht, dass eine einigermassen objektive Berichterstattung nicht mehr gewährleistet ist. Hierzu nun einige Beispiele aus den Medien, diese entstammen einigen Stunden nach den Anschlägen in Norwegen.

Elmar Theveßen, der vom ZDF ernannte „Terrorismusexperte“ war bei seinen Aussagen schon bekannt, dass es sich beim Täter um Norweger handelte. Trotzdem blieb er geistig unflexibel und nährte die Vorurteile gegenüber dem Islam:


Quelle: ZDF – Heute Journal vom 22.07.2011 – Terror in Norwegen
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