Am 29.11.2009 dürfen wir die Schweizer Bürger über ein Verbot von Kriegsmaterial-Export abstimmen. Zu dieser Problematik habe ich eine klare Meinung.

Oftmals höre ich als Argument für Kriegsmaterialexporte: „Wenn wir es nicht tun, dann tun es andere“. Ich finde dies ist eine dämliche Aussage um sich nicht mit dem wahren Problem der Waffenexporte zu beschäftigen.

Ich frage solche Personen immer: „Wir könnten auch Drogen herstellen und exportieren, sonst tun es andere?“ Ich sehe zwischen Waffen- und Drogenexporten keinen grossen Unterschied, ausser das Waffen vielmehr unschuldige töten als der Drogenhandel und dessen Konsum. Leute die Drogen herstellen, werden in den meisten Ländern hart bestraft, wogegen die Herstellung von Waffen bei vielen nicht einmal zu Gewissenskonflikten führt, siehe unten Herr Lukas Braumschweiler.

Ruag und Berner Oberland

Thuner Tagblatt (TT) 30.10.2009

Ich wohne in Steffisburg, dies ist eine Nachbarsgemeinde von Thun. Im TT vom 30.10.2009 wurde mit der Angst um die Arbeitsplätze gespielt, eines der meistgebrauchten Muster in diesem Abstimmungskampf:

ruag900Stellen

Gemäss dem Ruag-Chef müssten in Thun 900 Stellen abgebaut werden, falls es zum Ausfuhrverbot von Kriegsmaterial komme. Gemäss CEO Lukas Braunschweiler: „Frieden zu schaffen ohne Waffen, das ist eine Illusion. Zudem liefern wir an Länder, die einen ähnlichen Anspruch haben wie wir und bei bewaffneten Konflikten über ein Uno-Mandat verfügen“. Er habe keine Gewissenskonflikte bei seiner Arbeit.

TT 3.11.2009

ruag1400Stellen

Das TT hat 3 Tage später nachgedoppelt, nun stehen sogar 1400 Arbeitsstellen auf dem Spiel. Es wurden noch weitere 500 Stellen bei Zulieferfirmen gefunden.

Abstimmungskampf mit Arbeitsstellen und damit mit der Angst

Den Abstimmungskampf mit angedrohten Arbeitsverlust ist nichts mehr als Erpressung. Es ist ein oft angewendete Muster in schweizerischen Abstimmungskampf. Wer sicher seinen Job bei der Annahme der Initiative gegen Kriegsmaterialexporte verlieren sollte, ist Herr Lukas Braumschweiler, er ist unfähig seinen Mitarbeiter ohne Kriegsmaterialexporte eine Zukunftsperspektive zu geben. Es ist schade, dass wir so viele untaugliche Wirtschaftsführer haben, diese taxieren sich selbst als unfähige Leader für eine Transformation in nützlichere Technologien.

Neutralität und Kriegsmaterialexport ein klarer Widerspruch

Bei kriegerischen Auseinandersetzungen pocht die Schweiz immer wieder auf ihre Neutralität und vermeidet jegliche militärische Einmischung. Bei den Waffenexporten scheint die Schweiz auf einmal zwischen „Gut“ und „Böse“ unterscheiden zu können, dies erstaunt mich sehr. In der Analogie zu den Drogenexporten: Die Regierung schützt den Drogenbaron, die Opfer der Drogen sollen aber die anderen beklagen – wir sind und bleiben neutral.

Es ist ein Unterschied, ob die USA oder die Schweiz Waffen ins Ausland liefert. Die USA oder beispielsweise auch das britische Königreich sind fast fortlaufend in militärische Konflikte verwickelt und werden wahrscheinlich ihre Waffenexporte viel bewusster tätigen. Wer möchte schon das hohe Risiko eingehen, das Opfer der eigenen Rüstungsexporte zu werden. In welche mörderischen Hände letztendlich die exportierten Waffen landen, kann die Schweiz kaum steuern und kontrollieren, dies würde unter anderem einen funktionierenden Geheimdienst voraussetzen – denn hat die Schweiz gegenüber den USA sicherlich nicht.

Der Geheimdienst ist während der Friedenszeit die Augen und Ohren einer Armee, wahrscheinlich auch darum sucht die blinde und taube Schweizer Armee verzweifelt sowie erfolglos nach einer Strategie in ihrer schalldichten Dunkelkammer. Dabei basteln sich die Armeestrategen Szenarien zusammen, welche die Existenzberechtigung der aktuellen Armee untermauern und weniger dem realen Bedrohungsbild gerecht werden.

Staatssekretariat für Wirtschaft SECO entscheidet über Waffenexporte

Ein Land, welches Waffen exportiert, muss genügend Informationen über die möglichen Abnehmer dieser Waffen verfügen. Dazu wird ein starker militärischer Geheimdienst benötigt, zudem müssten die Waffenexporte im Einklang mit der schweizerischen Verteidigungsstrategie erfolgen. Der fehlende Sicherheitsbericht und das „herumwursteln“ der Armeestrategen verunmöglicht jedoch eine längerfristige Einschätzung zwischen „Guten“ und „Bösen“.

Über die Waffenexporte entscheidet bei uns das SECO, diese können unmöglich die Beziehungsgeflechte der Waffenlieferungsströme kennen oder verfügt das SECO über einen Geheimdienst? Einer solchen Behörde die Entscheidungsgewalt über Waffenexporte zu überlassen ist unverantwortlich gegenüber der restlichen Welt. Letztendlich entscheiden schlecht informierte und somit skrupellose Beamte, an welche Nationen Waffen geliefert werden können.

Auch mit einem hervorragenden Geheimdienst wäre es schwierig die zukünftigen negativen Folgen einer Waffenlieferung einzuschätzen, da das Beziehungsgeflecht zwischen Nationen sehr dynamisch ist – heute Freunde und morgen Feinde. Waffen, die heute geliefert werden, können beispielsweise in 10 Jahren von einem menschenverachteten Regime missbraucht werden. Daher sind die Entscheidungen des SECO für oder gegen einen Waffenexport nichts anderes als ein leichtfertiger Blindflug.

Die scheinheiligen Argumente der Befürworter von Waffenexporten

Ich unterscheide bezüglich der militärischen Einmischung zwei Hauptrollen der Nationen:

Neutrale Nationen

Die Schweiz und auch andere Länder sind neutrale Nationen, sie beteiligen sich nicht an militärischen Einsätzen in fremden Ländern. Sie gehören auch nicht einem Bündnis wie beispielsweise der Nato an. Die Militärs der neutralen Nationen können nicht Opfer ihrer eigenen Waffenexporte im Ausland werden. Wer nicht selbst seine Soldaten ins Ausland schickt, der handelt bei Waffenexporten sehr scheinheilig. Diese neutralen Länder können sich aber glaubwürdiger bei der humanitären Hilfe einbringen als die „kriegerischen“ Nationen. Geraten ungewollt die Waffenexporte früher oder später in Hände von einem menschenverachtenden Regime, hat dieser Exporteur nicht den militärischen Willen und Kraft diesen Fehler zu korrigieren und die Verantwortung zu übernehmen, sie können nur zuschauen und an die Opfer ein „Sorry“ aussprechen.

Nationen eines militärischen Bündnisses bzw. aktiv in einem kriegerischen Uno-Mandat

Staaten wie USA, Deutschland, UK usw. müssen regelmässig militärische Opfer beispielsweise aus einem Uno-Mandat beklagen, auch Länder eines militärischen Bündnisses tragen die Risiken von militärischen Opfern für andere Nationen. Diese Länder haben ganz klar das Recht auf Waffenexporte. Solche Nationen unterteilen die Welt in „Gute“ und „Böse“ und sie schicken ihr Militär in ausländische Kriegseinsätze. Gegenüber der neutralen Nationen haben sie auch die Möglichkeit ihre mögliche ungewollte Fehllieferung von Waffen mit einem Militäreinsatz im Ausland zu korrigieren, ob sie dies auch tun würden ist natürlich eine andere Frage.

Die scheinheilige SVP umgeht die Verantwortung der Waffenexporte

Die SVP will weiterhin Waffenexporte zu lassen, verweigert aber vehement den Einsatz von Schweizer Militär für beispielsweise ein Uno-Mandat in Afghanistan.


Quelle: SF1 vom 13.11.2009 – Abstimmungsarena zur Initiative ‚Exportverbot von Kriegsmaterial‘
Herr Adrian Amstutz ist ein Repräsentant dieser scheinheilligen SVP-Politik.

Es ist das typische Beispiel einer Fünfer und Weggli-Politik – Waffenexporte erlauben, aber die Risiken von eigenen militärischen Opfern im Ausland umgehen. Wer Waffenexporte tätigt, der sollte auch die Risiken eingehen, das militärischen Opfern der eigenen Waffenexporte zu werden. Waffen liefern aber selber nicht „hinstehen“, dies ist feige und unglaubwürdig, dafür sollten sich die Schweizer schämen.

Waffenexport und bewaffnete militärische Auslandseinsätze mit möglichen menschlichen Opfern oder keine Waffenexporte und auch keine bewaffneten militärischen Auslandeinsätze, alles andere ist unlogisch, wozu entscheidet sich die neutrale Schweiz?

Die Schweiz hat schon mehrfach bei zukunftsträchtigen Technologien den Anschluss verpasst

Wir haben in Bern eine starke Lobby für den Atomstrom, Banken, Bauern, Pharma, Versicherung usw. Leider fehlt uns eine Lobby für die Informatik, wahrscheinlich deswegen hat die Schweiz in diesem zukunftsträchtigen Sektor den Anschluss verpasst, obwohl das schweizerische Bildungssystem hervorragende Informatiker hervor bringt. Die Schweiz wird wahrscheinlich auf ewig eine Nebenrolle bei den Informationstechnologien spielen.

Alternative Energie statt fossile Brennstoffe und Kernkraftwerke

Ähnliches geschieht zurzeit im Bereich Umwelt und Energie mit alternativen Energien. Auch in diesem Sektor ist die Schweiz daran, den Anschluss zu verpassen. Die Industrie, die sich mit diesen Technologien beschäftigt, wird durch den Bund kaum gefördert, dazu fehlt ihr das Lobbying in Bern. Zudem spekuliert die schweizerische politische Elite seit 2005/2006 längst auf den Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke. Eines Tages wird die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt – nur der Bau neuer Kernkraftwerke könnten die zukünftige Stromversorgung sicherstellen.

Zum Umdenken bezüglich Atomkraftwerke führt wahrscheinlich nur ein grösserer unkontrollierbarer Unfall in dem eine grosse Anzahl Meschen nachweislich verstrahlt werden. Die partielle Kernschmelze von Harrisburg und der Super-Gau von Tschernobyl sind bei den Nichtbetroffenen vergessen gegangen.

Wobei mit Harrisburg die hohe bauliche Sicherheit von Kernkraftwerken unter Beweis gestellt wurde. Ein weiterer Super-Gau ähnlich Tschernobyl scheint sehr unwahrscheinlich zu sein. Würde nochmals eine solche Reaktorexplosion stattfinden, dann wäre dies sicherlich das definitive Ende der Kernkraft.

Fazit

Die Welt stellt der Menschheit genügend Ressourcen für ein „angenehmes“ Leben zu Verfügung, nur müsste dies endlich auch erkannt und im Einklang mit der Natur genutzt werden. Die Schweizer Bevölkerung sollte Technologien für eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen erforschen, entwicklen und exportieren, statt Tötungswerkzeuge für den möglichen Verteilungskrieg um die bisher ausgebeuteten natürlichen Ressourcen liefern.

Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann müssen wir zulassen, dass alles sich verändert.
Giuseppe Tomasi di Lampedusa

Link:
Bündnis gegen Kriegsmaterial-Exporte

2 Gedanken zu „Schweizerische Kriegsmaterialexporte: Warum nicht auch Drogen, sonst exportieren dies andere?

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