Die grössten Kritiker der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sind auf einmal für Interventionen gegen „zu hohen“ Franken. Zu den Kritikern der SNB habe ich mit „Sind Zentralbanken noch vertrauenswürdig?“ schon einen Blogeintrag geschrieben.

Der Meinungsumschwung von Christoph Blocher

Was sagte Herr Blocher vor wenigen Tagen:


Quelle: Teleblocher vom 12.08.2011

Es ist anders als Herr Blocher sagt: Der CHF ist nicht nur gegenüber dem EUR und USD stark, sondern auch gegenüber fast allen Währungen wie beispielsweise Norwegische Krone (NOK) oder auch Neuseeland Dollar (NZD).


Natürlich ist der USD eine Weichwährung nicht aber unbedingt der EUR. Zudem sollte ein Politiker und Unternehmer, der sich der Marktwirtschaft verpflichtet fühlt, klar gegen die Erwartungshaltung der traditionellen SNB-Ausschüttung an die Kantone und Bund aussprechen. Diese Gewinnausschüttungen können nicht einfach erwartet werden.

Noch anfangs 2011 gab Herr Blocher den Tarif durch, was das Aufgabengebiet der SNB sei:


Quelle: Teleblocher vom 21.01.2011

Blochers Kriegsrhetorik

Herr Blocher missbraucht die Begriffe „Krieg“ und „Wirtschaftskrieg“. Wann immer der Begriffe „Krieg“ verwendet wird, sollte nachgefragt werden, gegen wen man einen Krieg führt.

Im Folgenden sagt er nur, das alle Mittel eingesetzt werden sollen, aber gegen wen?


Quelle: Teleblocher vom 12.08.2011

Ich habe nicht gewusst, dass der leblose Euro einen Krieg führen kann.

Bei diesem Kurs stellt sich die Frage, ob die SNB nicht einen unteren Wendepunkt ins Auge fassen und gegen den schwachen Euro intervenieren muss. Meines Erachtens ist dies ein Krieg gegen den Euro, den man – auf diesem Niveau – gewinnen kann. Die SNB wird darauf keine Verluste mehr haben, aber eine gewisse Gefahr einer späteren Inflation besteht, wenn man später nicht Gegensteuer gibt.
Quelle: Tagesanzeiger vom 12.08.2011 – «Die Nationalbank hat wie in einem Krieg alle Mittel einzusetzen»

Herr Blocher wird doch konkreter, die SNB soll gegen den Devisenhändler und Privatanleger antreten. Er anerkannt damit, dass der Casino-Kapitalismus bzw. deren Spekulanten den CHF in die Höhe treiben:

Quelle: Quelle: DRS vom 11.08.2010 – Auch Rechte fordert Nationalbank heraus

Die wankelmütige SVP

Scheinbar ist jetzt als anders und einmal mehr wurde die SVP von der Aktualität eingeholt. Noch vor weniger als einem Monat schrieb Nationalrat Hans Kaufmann auf der SVP-Homepage:

Die Probleme der Währungskrise liegen nicht in der Schweiz, sondern in der staatlichen Schuldenwirtschaft in der EU, in den USA und in Japan. Deshalb kann die Schweiz, weder die SNB noch die Politik, gegen den Höhenflug des Frankens kaum wirkungsvolle Massnahmen ergreifen.
Quelle: SVP, 19.07.2011 – Währungssorgen der Schweizer Industrie: Falsche Medizin schlimmer als Krankheit

Noch am 29.06.2011 sprach sich die SVP-Parteizentrale gegen eine kurz oder langfristige Anbindung des Franken an den Euro aus:

Die SP fordert seit längerem den radikalen und mit hohen Risiken verbundenen Schritt einer Anbindung des Frankens an den Euro (mit einem Kursboden, den die Nationalbank ohne Rücksicht auf Verluste verteidigen müsste). Dies ist weiterhin nicht mehrheitsfähig. Die SVP lehnt einen solchen Schritt nach wie vor kategorisch ab, wie Generalsekretär Martin Baltisser betont: «Der Schaden wäre weit höher als der Nutzen.» Nicht ganz alle in der Partei sehen die Sache gleich. Der Berner SVP-Nationalrat und Unternehmer Hansruedi Wandfluh wünscht sich von der Nationalbank offen die Deklaration eines «Zielkurses» des Frankens gegenüber dem Euro und dem Dollar.
Quelle: NZZ vom 29.06.2011 – Weniger Steuern statt Anbindung des Frankens

Mit der neuen Direktive von Christoph Blocher, änderte sich vor einigen Tagen auch die Einschätzung des SVP-Generalsekretär Martin Baltisser:

Wir sind nicht für eine längerfristige Anbindung des Frankens an den Euro, aber wenn man ein Wechselkursziel als vorübergehende und klar kommunizierte Massnahme sieht, um ein Signal auszusenden, werden wir uns nicht dagegen aussprechen.
Quelle: NZZ vom 11.08.2011 – Umdenken auf dem Hauptschauplatz des Frankenproblems

Der Sinneswandel bei Kurt Schiltknecht

Auch Herr Schiltknecht kritisierte die SNB letztes Jahr. Auf Grund des erstarkten CHF, empfiehlt er Interventionen oder gar eine andere Geldpolitik:


Quelle: SF1, Rundschau vom 3.08.2011 – Kurt Schiltknecht

Damals anzweifelte er noch an den Wirkungen von Interventionen:


Quelle: NZZ-Online vom 25.06.2010 – Umstrittene Politik der Schweizerischen Nationalbank

Der Meinungswandel der Weltwoche

Auch die Weltwoche hat ihre Einstellung synchron mit der SVP diese Woche geändert:

Warum soll jetzt richtig sein, was vor ein paar Monaten ein schwerer Fehler war? Erstens: Der Franken war zum Zeitpunkt der falschen Eingriffe im April/Mai 2010 nicht überbewertet. Heute ist der Franken irreführend stark, was Preisvergleiche bei Verkaufsgütern aus dem In- und Ausland zeigen. Zweitens: Im letzten Jahr stand die Schweizer Wirtschaft nicht am Abgrund, als die SNB übermässig und überstürzt intervenierte. Heute drohen Teilen der Wirtschaft bleibende Organschäden aufgrund der Frankenstärke. Drittens: Die Verlustrisiken sind geringer als im Frühling letzten Jahres, weil es unwahrscheinlich ist, dass sich der Franken nochmals in einem Mass aufwertet wie in den letzten Monaten.

Trotzdem bleibt höchste Vorsicht geboten. Wir leben nicht mehr in den siebziger Jahren, als die SNB eine spektakulär erfolgreiche Währungsintervention zustande brachte. Die weltwirtschaftliche Lage hat sich verdüstert. Die Rezession der letzten Jahre wirkt noch nach. Die Euro-Schwäche ist die Folge einer nach wie vor unbewältigten Schuldenkrise. Der Dollar liegt darnieder, weil der aktuelle Präsident seine Staatsausgaben schwindelerregend nicht im Griff hat. Es gibt eben gute Gründe dafür, dass die Anleger in den stocksoliden Franken flüchten.
Quelle: Weltwoche Nr. 32.2011, Roger Köppel – Editorial „Franken“

Im 1. Quartal 2011 brandmarkte die Weltwoche die SNB und noch mehr Herrn Hildebrand während mehreren Wochen. Dazu ein kleiner Ausschnitt:

Hildebrand verstrickt sich. Als oberster Notenbanker hat er den gesetzlichen Auftrag, Währungspolitisch die Unabhängigkeit der Schweiz zu sichern, an die er gar nicht glaubt. «Mythen sind kulturell bedeutsam», sagte der SNB-Präsident im Interview, «aber wir müssen die Realität sehen, auch wenn sie nicht populär ist.» Die Realität, die Hildebrand nicht sehen will, sieht so aus: Die von ihm gefeierte EU wankt bedrohlich über einem Sumpf von Schulden. Die unabhängige Schweiz, die es laut Hildebrand nicht gibt, erweist sich als krisenfest und zukunftsfähig.
Quelle: Weltwoche Nr. 9.2011, Roger Köppel – Editorial „Hildebrand und die Schweiz“

Zwischen Januar und Mai 2010 kaufte Hildebrand geradezu tonnenweise Euros ein, um eine, wie er sich nachher ausdrückte, «sprunghafte Aufwertung des Frankens» gegenüber dem Euro zu verhindern. Glaubte er wirklich, die SNB könne die Eurozone im Alleingang stützen?

Die Interventionen brachten nichts
Wir kommen zum zweiten Argument: Wie gefährlich sind «sprunghafte Aufwertungen» des Frankens? Hätte eine «übermässige» Wertsteigerung gegenüber dem Euro die Schweiz in einen Deflationsschock geworfen? Dieser Deutung widersprechen namhafte Ökonomen: Der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann kennt kein Beispiel aus der Geschichte, das für die Schweiz eine Wirtschaftskrise im Gefolge einer rasanten Frankenaufwertung belegen würde. Natürlich können schnelle Kursaufwertungen die Schweizer Exportwirtschaft kurzfristig treffen. Der SNB-Präsident argumentierte zudem mit Risiken durch verbilligte Importe (Preisdruck). Auch hier allerdings verkennt der Politologe Hildebrand wesentliche Zusammenhänge: Viele Schweizer Unternehmen sind im Export so international aufgestellt, dass sie Frankenaufwertungen abfedern können.
Quelle: Weltwoche Nr. 10.2011, Roger Köppel – Der Falschmünzer

Zielkonflikt Ausschüttungen und Unabhängigkeit der SNB

Den Zielkonflikt der Ausschüttungen und der Unabhängigkeit der SNB wurde wenigstens von der FDP erkannt:

Ausschüttungen im Visier
Die FDP warf am Dienstag eine neue Idee in die Debatte: Die politische Unabhängigkeit der Nationalbank sei zu stärken, deshalb sollen künftig keine Notenbankgewinne mehr an Bund und Kantone ausgeschüttet werden. Gewinne sollen in einen «Krisenfonds» fliessen, dessen Zinsertrag zum Teil Bund und Kantonen zugutekommen könne. Bei den Kantonen dürfte sich die FDP damit kaum Freunde schaffen. Die Idee stiess zudem nicht nur bei der Linken, sondern auch bei der CVP auf grosse Skepsis, während sich die SVP zunächst unverbindlich gab. Eine Reduktion der Gewinnausschüttungen hatte die Nationalbank schon Anfang Jahr angekündigt, da ihre Ausschüttungsreserven weggeschmolzen waren.
Quelle: NZZ vom 29.06.2011 – Weniger Steuern statt Anbindung des Frankens

Fazit

Die Herren Blocher und Schiltknecht sprechen nun öffentlich von Wechselkursübertreibungen. Würde der Markt rational und nach Lehrbuch funktionieren, so gäbe es diese Übertreibung nicht. Für das Befürworten von Interventionen und Manipulationen der Geldmärkte gestehen diese beiden Herren ein, dass der heutige Finanzkapitalismus kaum ein längerfristig funktionierendes Modell sein wird. Die Spekulanten rennen von einer Anlageklasse zur nächsten und sorgen teilweise für erhebliche Übertreibungen. Dem gegenüber ist die reale Wirtschaft träge, bietet aber damit die vom Menschen benötigte Kontinuität. Der schnelle und unnötige Casino-Kapitalismus verursacht an der realen Wirtschaftaft erhebliche Schäden. Eine weltweite Entschleunigung des Finanzkapitalismus gäbe mehr Planungssicherheit in der Wirtschaft und Politik. Es wäre daher zum Vorteil fast aller Wirtschaftssubjekte.

Die von der SVP und Weltwoche hochgehaltene Unabhängigkeit der Schweiz war und ist ein Mythos. In der heutigen Zeit noch mehr als vor 3 oder 4 Jahrzenten. Auch die gebetsmühlenartige Wiederholung des Mythos „Unabhängigkeit“ macht dies nicht realer. Unser Wohlstand basiert auf dem Handel mit der restlichen Welt, wir haben weder eine unabhängige Nahrungsmittel- oder Energieversorgung noch bleibt die schweizerische Geld- und Währungspolitik unbetroffen der Ereignisse ausserhalb der Landesgrenzen.

Bis noch vor einigen Wochen wurde die SNB auf schärfste von der SVP und der Weltwoche kritisiert. Interventionen am Geldmarkt seien nutzlos und wirkten sich negativ auf SNB-Bilanz aus. Als Ende Juli 2011 der Euro deutlich und rapid die CHF 1.15 durchbrach, musste auch die SVP ihre Meinung bezüglich Geldmarktinterventionen überdenken, bzw. der SVP-Oberstratege Blocher gab seinen neuen Kurs in der SVP bekannt.

Politisch und zeitlich synchron wurde in der Weltwoche, das inoffizielle Parteiblatt der SVP, die neue SVP-Strategie dem Wahlvolk verkündet. Ob da nicht manchmal die Redaktionssitzungen der Weltwoche auf dem Herrliberg stattfinden?

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