Am frühen Morgen des 17.02.2014 entführte der Co-Pilot ein Passagierflugzeug von Ethiopian Airlines nach Genf. Indem er die Tür des Cockpits verriegelte, während der Pilot die Toilette aufsuchte, brachte er die Boeing 767 mit den 202 Passagieren auf dem Flug von Addis Abeba nach Rom unter seine Gewalt. Um 6.02 Uhr landete der unbewaffnete Luftpirat, dabei wurde das Verkehrsflugzeug von zwei französischen Mirage 2000 eskortiert. Zuvor wurde die Boeing über Italien von zwei Eurofighter-Jets der italienischen Luftwaffe begleitet.
Ueli Maurer zuerst nicht vollständig im Gripen-Werbezug
Zwei Tage nach diesem Vorfall erklärt der Armeechef den Einsatz der französischen Kampfjets bei dieser Flugzeugentführung als sinnvoll:
Quelle: SRF, Echo der Zeit vom 19.02.2014 – Maurer will 24-Stunden-Betrieb bei der Luftwaffe
Die Schweiz hat Frankreich, Italien und Deutschland Vereinbarungen über die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraumes. Die Kooperation mit unseren Nachbarländern ist unerlässlich, wie diese Entführung zeigt. Der Flughafen Genf liegt an der französischen Landesgrenze dies verlangt geradezu nach internationaler Zusammenarbeit im Luftpolizeidienst.
Ausland spottet über Schweizer Luftwaffe
Im Ausland gab es einige hämische Kommentare über die Schweizer Flugwaffe:
Quelle: Le Mond 18.02.2014 – En Suisse, les avions militaires indisponibles en dehors des heures de bureau
Wahrscheinlich sind solche Schlagzeilen für einige patriotische Schweizerbürger schwer verdaulich. Für die von der SVP propagierte und angestrebte Unabhängigkeit müsste man buchstäblich ein bisschen früher aufstehen, anderseits bei dieser Entführung völlig unnötig:
Quelle: FAZ vom 18.02.2014 – Schweizer Luftwaffe nur zu Bürozeiten einsetzbar
Missbrauch der Entführung für Abstimmungskampf
Die erste Frage des folgenden Interviews beantwortet Ueli Maurer ziemlich angesäuert. Er will einmal mehr Geld von den „reichen Schweizern“. Schon auf die zweite Frage folgte Stimmungsmache für die Gripen-Abstimmung:
Quelle: SRF, Samstagsrundschau vom 22.02.2014 – Bundesrat Ueli Maurer
Dabei unterschlägt er, dass bei der Flugzeugentführung mit der Unterstützung der Franzosen das sinnvolle und normale Verfahren angewandt wurde. Statt die Arbeit der französischen Luftwaffe zu würdigen, geht der unlautere Gripen-Werbezug basierend auf der Entführung in der Sonntagszeitung am 23.02.2014 weiter:
Unsere Luftwaffe fliegt nur zu Bürozeiten. Ist die Armee überhaupt einsatzfähig?
Wir sind einsatzfähig. Aber was wir in der Nacht auf Montag in Genf gesehen haben, passiert eben, wenn man der Armee immer Geld wegnimmt.Sie haben Kreditreste von fast 900 Millionen zurückgegeben. Die ständige Flugbereitschaft kostete 30 Millionen Franken. Ungefähr. Plus etwa hundert Stellen, darunter Piloten, Mechaniker und Lotsen, die wir sechs Jahre lang ausbilden müssen. Diese Ausbildung lohnt sich aber nur, weil wir jetzt wissen, dass wir mit den 5 Milliarden Franken für die Armee endlich das Geld haben, um die ständige Bereitschaft zu gewährleisten. Zudem braucht es den Gripen, damit als Nachfolger für die F/A-18 auch nach 2025 noch ein Flieger bereitsteht.
Hätte man in Genf intervenieren können, wenn die Flugbereitschaft bestanden hätte?
Ja, die italienische Luftwaffe hat uns um 4.30 Uhr alarmiert. Die Frage bleibt aber, ob man ein Passagierflugzeug abschiessen kann. Die Rechtslage ist klarer, wenn der Luftraum gesperrt ist wie beim WEF. Da trage ich als Verteidigungsminister das berühmte Köfferchen bei mir, weil ich den Abschuss zu befehlen hätte.
Quelle: Sonntagszeitung vom 23.02.2014 – „Wir blamieren uns“, Verteidigungsminister Ueli Maurer
Scheinbar hat die schweizerische Luftwaffe bei einem solchen Zwischenfall zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr Handlungsfähigkeit als ihre französischen Kollegen im schweizerischen Luftraum.
Ex-Chef der Luftwaffe Markus Gygax
Vor ungefähr 2 Jahren bestätige der damalige Chef der Luftwaffe, dass die bestehenden Kampfjets für die Überwachung, Koordination und Intervention in der dritten Dimension genügten:
Quelle: SRF, Arena vom 16.03.2012 – Kampfjets: Wenn ja, welche?
Fazit
Vor mehr als 3 Jahren schrieb ich im Beitrag „Rüstungspolitik für diffuse Bedrohungsbilder und Wirtschaftsinteressen“ das die Flugwaffe nur während der Bürozeiten operiert. Wenn sich nun gewisse bürgerliche Sicherheitspolitiker, seit diesem Vorfall, über die Einsatzbereitschaft der Luftwaffe zu Bürozeiten öffentlich brüskieren, beweisen diese nur ihre Unfähigkeit die Realität in der schweizerischen Sicherheitspolitik zu erkennen. Im kleinen Lauftraum der Schweiz kann oftmals nur dank der Kooperation mit unseren Nachbarländern zielgerichtet interveniert werden.
In die „Die Risiken der Kernkraft“ habe ich geschrieben, dass ich ein Terroranschlag auf ein schweizerisches Kernkraftwerk für unwahrscheinlich halte. Trotzdem sollten sich wenigsten unsere Sicherheitspolitiker mit dem Gedanken eines terroristischen Anschlages mittels einem Kamikazeabsturz auf ein Atomkraftwerk auseinandersetzen. Wie ist die rechtliche Grundlage der Flugwaffe, wenn ein zu einem Terroranschlag missbrauchtes Flugzeug ein schweizerisches AKW anfliegt? Zurzeit würde sich die „beste Armee der Welt“ dem Terroristen ausserhalb der Bürozeiten nicht in den Weg stellen und während der Bürozeiten kann möglicherweise das Kamikazeflugzeug nicht abgeschossen werden. Für ein jährliches Militärbudget von 5 Milliarden Franken sollten die Schweizer Bürger erwarten dürfen, dass die Armee ein solchen zugegeben unwahrscheinlichen Terroranschlag abwehren kann.
Die Verwertung dieser Flugzeugentführung als Gripen-Argument für den Abstimmungskampf ist Betrug am Wahlvolk. Die vorhandenen Kampfjets würden vollumfänglich für die rund um die Uhr Alarmbereitschaft genügen.