Die Schweiz muss sich demnächst mit der Frage des Atomausstiegs stellen. Die mehrjährige Bearbeitung der Bevölkerung durch die AWK-Lobby könnte mit dem Gau/Super-Gau in Fukushima ein jähes Ende gefunden haben.

Politiker vor und nach dem Atomunfall Fukushima

Am 13.02.2011 stimmten die bernischen Stimmberechtigten zur Stellungnahme zum Rahmenbewilligungsgesuch zum Ersatzkraftwerk Mühleberg ab. Damals strahlten uns die politischen Befürworter aus dem Kanton Bern mit Pro-Voten richtiggehend an:

Pro AKW-1: Grunder, Hochreutener, Markwalder

Pro AKW-2: Graber, Brönnimann, Geissbühler

Pro AKW-3: Amstutz, Haller, Wasserfallen
Quelle: Damit Bern der Strom nicht ausgeht.

In diesem „Damit Bern der Strom nicht ausgeht„-Flyer steht nichts von Risiko und der Entsorgung des Atommülls. So sind eben die Politiker, das Unangenehme wird vor der Bevölkerung totgeschwiegen.

Seit dem Atomumfall in Fukushima drängen einige Politiker zu den Rettungsboten auf dem angeblich sinkende Schiff der AWK-Befürworter:


Quelle: SF1, Rundschau vom 23.03.2011

Die Atomdebatte ist lanciert

Der SP wollen den Atom-Ausstieg bis 2025 schaffen die Grüne gar ein Jahr zuvor. Auch die bisher kernenergiefreundliche BDP bekennt sich zum KKW-Ausstieg. Die FDP will die Versorgung ohne Kernenergie prüfen und die CVP ist sich uneinig. Nur die SVP hält sich bisher bei der Atomdiskussion diskret zurück.

SVP wird die Verweigerung der Diskussionsbereitschaft vorgeworfen

Der Grüne-Präsident Ueli Leuenberger wirf dem SVP-Chef Toni Brunner, dass sich seine Partei von der Atomdebatte drücke. Mich erinnert dies, an folgendes:
Die SVP mag nicht mit diskutieren
Quelle: Gewerbezeitung vom 21.01.2011

Manchmal kann ein Text mit einigen ausgetauschten Wörtern erneut benutzt werden. Dort wirft der Mainstream-Ökonom und SGV Direktor Hans-Ulrich Bigler die Verweigerung der Diskussionbereitschaft der SP vor. Obwohl Herr Bigler ein FDP-Mitglied ist, glänzt der sgv mit einer starken Nähe zur SVP, beispielsweise wird er vom SVP-Mitglied Bruno Zuppiger präsidiert.

Es ist jedoch unkorrekt das die SVP jede Diskussion über Kernkraftwerk verweigert. Zudem ist die momentane Zurückhaltung in der Gesprächsbereitschaft nicht unbedingt ein Nachteil für die kommenden Parlamentswahlen. Viel unglaubwürdiger agiert in den letzten Jahren die FDP, siehe „Schweizerische FDP betreibt viel Windfahnenpolitik ohne Visionen„. Übrigens gab es schon einige Aussagen von Spitzenpolitikern der SVP.

SVP-Ständerat This Jenny

Mit This Jenny gibt ein SVP-Politiker doch einige markante Aussagen zu den Atomkraftwerken von sich. Die Katastrophenbewältiger in Fukushima versorgt er mit einer Ferndiagnose und dem entsprechenden „fachmännischen“ Ratschlag:


Quelle: Telezüri, Sonntalk vom 20.03.2011 – Atomkatastrophe, This Jenny sein Ratschlag

Anderseits verweist er beim geografisch nahe liegenden AKW-Mühleberg auf die Fachleute:


Quelle: Telezüri, SonnTalk vom 20.03.2011 – Atomkatastrophe, This Jenny kein Fachmann

Es ist erstaunlich, wie ein Politiker innerhalb einer Zeitspanne von 15 Minuten solche widersprüchliche Statements von sich geben können.

Spekulieren auf die Halbwertszeit des menschlichen Vergessens

Es gibt natürlich auch Politiker, die nicht unberechtigt auf die Halbwertszeit des Vergessens spekulieren:

Quelle: DRS1, Echo der Zeit vom 25.03.2011 – Rolf Schweiger – Portrait eines Atom-Lobbyisten

Der FDP-Ständerat Rolf Schweiger macht mit einer solchen Aussage seine Partei nicht glaubwürdiger. Damit stellt er den von seiner Partei angesagten Richtungswechsel bezüglich AKW-Ersatzkraftwerke wieder infrage. Ob sich die plötzliche Sinneswandlung bei der FDP auch an der Wahlurne auszahlen wird – diese teilweise Windfahnenpolitik scheint vielen Wahlbürgern sehr suspekt.

Wo die Halbwertszeit des menschlichen Vergessens zu funktionieren scheint

In den letzten Jahren gab es einige globale negative Ereignisse, von denen sich der gesunde Menschenverstand in der Konsequenz härtere Rahmenbedienungen erhoffte. Trotzdem sind unsere Eliten nicht bereit aus ihren früheren Fehlern zu lernen. Hierzu zwei neuliche Beispiele:

Weltfinanzsystem ausser Kontrolle

Das heutige Finanzsystem kann seine immensen Probleme bestenfalls noch einige Jahre verstecken, danach kommt der Vertrauensverlust der Bevölkerung in das ungedeckte Papiergeld und damit der unvermeidbare Kollaps. Die Banken wurden teilweise von den Staaten und den Steuerzahlern gerettet. Viele Banken sitzen noch immer auf faulen Krediten nur verschweigen uns dies ihre schöngerechneten Bilanzen. Die Staaten und ihre Zentralbanken haben den Banken die meisten faule Kredite abgenommen. Durch die Konjunkturpakete, Steuerausfälle und der Stützung ihrer Banken gerieten die meisten westlichen Staaten mit ihren vielen Verpflichtungen nahe am Staatsbankrott.

Trotzdem werden die Monsterbanken der westlichen Welt durch ihre Regierungen mit Samthandschuhen angepackt. Scheinbar haben die Regierungen die globale Finanzkrise 2008/2009 schon vergessen. Die grossen und zu komplexen Banken können die Staaten noch immer erpressen, weil man sie retten muss.

Der Kasinokapitalismus spielt nochmals eine weitere Runde. Einige riskante Spiele bekamen einen neuen Namen und werden im Schattenbankensystem unreguliert und unkontrolliert weiter gespielt.

Umweltdesaster im Golf von Mexiko

Im Frühsommer des 2010 wurden die Schlagzeilen von der Deepwater Horizon dominiert. Eine BP-Plattform explodierte und danach flossen während 87 Tage zirka 780 Millionen Liter Öl in das Meer.

Die Folgen der Ölpest im Golf von Mexiko sind in Europa schon längst aus den Schlagzeilen verschwunden. Die meisten Menschen der industrialisierten Welt verschliessen die Augen, vor diesem Umweltdesaster im Golf von Mexiko. Wir wollen weiterhin grosse Autos fahren und billigen Sprit tanken. Damals wurde die Ölpest an der Meeresoberfläche wie auch direkt beim Ölaustritt mit dem Corexit behandelt, dadurch wurde die Sichtbarkeit der Ölkatastrophe an der Meeresoberfläche stark verringert. Folglich arbeiteten die Ölindustrie und die US-Regierung Hand in Hand nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“.

Das Moratorium für Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko wurde nach wenigen Monaten aufgehoben und neulich wurde die erste Genehmigung für ein neues Bohrprojekt ausgesprochen. Ich kann nur hoffen, dass die Langzeitfolgen dieser Ölkatastrophe nicht völlig aus dem Blickpunkt verschwinden.

BP gesteht seine Fehler ein und will seine Lektion gelernt haben. Die Sicherheit komme heute bei ihnen an erster Stelle. Leider verneint Chevron ein systemisches Risiko beim Öl-Unfall im Golf von Mexiko:

Quelle: DRS1, Trend vom 12.03.2011

BP und Tepco sind nur Repräsentanten ihres Sektors

Bei einer technischen Katastrophe wird oftmals das verantwortliche Unternehmen an den Pranger gestellt. Mit BP wurde der Schuldige durch die US-Regierung und der BP-Konkurenz identifiziert. Damit versuchten die unbeteiligten grossen Konzerne mit ihren Bürokratien und teilweise die politische Eliten von möglichen systembedingten Versagen abzulenken.

Systembedingte Ursachen bei der Ölkatastrophe

Beim „Deepwater Horizon“-Unglück waren noch andere Unternehmen wie Halliburton und Transocean beteiligt. Ein solches Unglück hätte auch einem anderen Ölkonzern passieren können, die gesamte Ölindustrie arbeitet mit derselben Technologie unter der gleichen überforderten Aufsichtsbehörde. Nur verbesserte Sicherheitsstandards und höhere Haftsummen werden die Konzerne zum Umdenken zwingen.

Tokyo Electric Power Company (Tepco) hatte nur Pech

Wenn lange keine Unfälle passieren, optimieren die Manager den Profit auf Kosten der Sicherheit. Ich glaube nicht, dass die Tepco schlechter arbeitet als die anderen AKW-Betreiber. Die gesamte Atomenergiebranche werden die Wartungsarbeiten mit weniger Disziplin und unter mehr Zeitdruck durchführen wie noch vor 25 Jahren. Mit diesem Unfall wird Disziplin kurzeitig oder hoffentlich über einen längeren Zeitraum wieder zurückkehren.

Fazit

Die Schweizer Politik setzte jahrelang auf neue Ersatzkernkraftwerke, mit dem Unfall in Fukushima besteht eine grosse Wahrscheinlichkeit, dass diese Strategie scheitern wird. Die Halbwertszeit des Vergessens könnte in Falle von Fukushima zu lange dauern. Zur Aufrechterhaltung der sogenannten unabhängigen Stromversorgung besteht in der Schweiz ein gewisser Zeitdruck.

Die Stromversorgung wird dadurch verkompliziert, da die Schweiz mit Mühleberg und den beiden Reaktorblöcken in Beznau auf einer veralteten Reaktortechnologie vertraut. Die Technologie eines heute gebauten Atomkraftwerkes wäre wahrscheinlich 100-mal sicherer als diese AKW-Oldies.

Was uns die Politiker nie erzählen würden. Wenn wir mehr Sicherheit in unserem AKW-Park wünschten, so müssten wird sofort ein neues Ersatz-AKW bauen um die drei alten Reaktorblöcke vom Netz nehmen. Es wäre schwierig zu erklären, dass sichere AKWs durch ein 100-mal noch sicheres KKW ersetzt werden könnte.

Nun glauben Sie nicht, dass ich ein Befürworter der Kernkraft wäre. Ich habe in der oben genannten Abstimmung ein Nein in die Urne geworfen. In einem weiteren Beitrag werde ich meine Vorbehalte gegenüber der Kernenergie preisgeben. Zudem gibt es heute vielmehr umweltfreundliche Alternativen zur Kernenergie als noch vor 20 Jahren.

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